Europäische Richtlinie zum Whistleblowerschutz: Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren ein.

Ende Januar hat es „Blaue Briefe“ von der EU-Kommission gehagelt, in denen die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren mitgeteilt wurde.

24 (von 27!) Mitgliedsstaaten haben die EU-Richtlinie zum Whistleblowerschutz bisher nicht umgesetzt. Die Frist dazu war am 17. Dezember letzten Jahres abgelaufen. Das zeigt wieder einmal: Whistleblower sind in Wirtschaft, Politik und Verwaltung nicht gern gesehen. Vorstände von Unternehmen und Staaten mögen es nicht, wenn man ihnen auf die Finger schauen darf und sie leichter zur Verantwortung gezogen werden können.

Die Große Koalition hatte zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Soweit bekannt wurde, hat vor allem das CDU-geführte Wirtschaftsministerium einen passablen Referentenentwurf aus dem Justizministerium von November 2020 blockiert. Begründung: Eine Überbelastung der Wirtschaft durch kodifizierten Whistleblowerschutz.

„Es gehört schon allerhand Chuzpe dazu, dass die CDU jetzt die junge Ampel-Koalition für die Peinlichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens verantwortlich machen möchte“, so der Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk (WBN) Kosmas Zittel (siehe Handelsblatt).

Von dem Umsetzungsgesetz und dessen Implementierung hängt ganz entscheidend ab, wieviel Rechtssicherheit und Schutz künftigen Whistleblowern geboten wird. Die Debatte dreht sich v.a. um den sachlichen Anwendungsbereich, ob also nur Meldungen bei Verstoß gegen EU-Normen oder auch gegen deutsches Recht sowie „sonstiges Fehlverhalten“ in einem umfassenden Gesetz unter Schutz gestellt werden. Weiter geht es um die Erhöhung des Schutzniveaus der Richtlinie im Bereich der nationalen Sicherheit und bei Verschlusssachen. WBN fordert darüber hinaus eine Erleichterung der Voraussetzungen für öffentliches Whistleblowing, etwa gegenüber den Medien.

Das Bundesjustizministerium, nunmehr unter FDP-Minister Buschmann, will eigenen Aussagen zufolge rasch einen neuen Referentenentwurf für das überfällige deutsche Whistleblowerschutzgesetz vorlegen und in die Ressortabstimmung bringen. Bis zu dessen Verabschiedung wird es also noch eine Weile dauern. Auch die Brüsseler Mühlen mahlen bei Vertragsverletzungsverfahren recht langsam. Vertragsstrafen können letztendlich nur vom EuGH verhängt werden. Allerdings entfaltet die Richtlinie seit dem 18.12.2021 im öffentlichen Dienstrecht eine sogenannte „Direktwirkung“. Und für die Rechtsprechung gilt seither das Gebot der „richtlinienkonformen Auslegung“.

„Bei diesem Durcheinander bleibt die Rechtssicherheit und damit der Whistleblowerschutz weiter auf der Strecke“, sagt Annegret Falter, Vorsitzende von WBN, „und das öffentliche Interesse an Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten und Fehlverhalten steht wieder einmal hintan“.

Update vom 14.03.2023: Inzwischen hat die Europäischen Kommission Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nicht-Umsetzung der EU-Richtlinie eingereicht.

Weitere Informationen zur Umsetzung der Richtlinie und unseren Forderungen hier.

Kontakt:

WBN – Whistleblower-Netzwerk e.V.
Annegret Falter (Vorsitz)
info@whistleblower-net.de
Tel.: +49 170 29 65 660

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