COVID-19: Eine günstige Gelegenheit für autoritäre Staaten

Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit, Gruppierung oder Glauben.
UN-Generalsekretär António Guterres
Whistleblower und Journalist*innen sind aufgrund ihrer Berichterstattung über das Coronavirus in diversen Staaten Repressalien ausgesetzt.
© 4711018 auf Pixabay

COVID-19 – eine Krise, die die ganze Welt in Atem hält. Gerade in diesen Zeiten ist eine transparente Berichterstattung über Ausbreitung und Verlauf des Virus sowie genaue Opferzahlen wichtiger denn je, nicht unerwartet bedienen sich allerdings einige autoritäre Staaten lieber der Unterdrückung und Zensur.

Das Schicksal des chinesischen Augenarztes und Whistleblowers Dr. Li Wenliang sorgte weltweit für Aufsehen, als bekannt wurde, dass er seine Kollegen bereits am 30. Dezember 2019 in einem Gruppenchat vor einem neuen Sars-ähnlichen Erreger gewarnt hatte. Die Polizei nahm ihn daraufhin unter dem Vorwand der „Verbreitung falscher Gerüchte“ fest und zwang ihn, ein Dokument zu unterzeichnen, in dem er zugab, „die soziale Ordnung ernsthaft gestört“ und gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Anfang Februar starb der 34-jährige selbst an dem Virus, als eines der jüngsten Opfer überhaupt. Derweil werden in China immer wieder nicht-regimetreue Bürgerjournalist*innen unter Hausarrest gestellt oder verschwinden spurlos, wie zuletzt der 25-jährige Li Zehua.

Im Iran, eines der am schwersten betroffenen Länder, werden Journalist*innen mit der Begründung der „Verbreitung von Gerüchten“ von Revolutionswächtern und Geheimdienst zum Verhör vorgeladen und es kommt, wie auch in der Türkei, zu Festnahmen. Der kambodschanische Innenminister Sar Kheng drohte am 20. März jeder Person, die „Fake News“ über COVID-19 verbreite, offen mit rechtlichen Schritten. Zuvor waren 17 Personen verhaftet worden, da sie Informationen über das Virus verbreitet hatten. Human Right Watch‘s stellvertretender Direktor für Asien, Phil Robertson, sagte dazu: „Die kambodschanische Regierung missbraucht den Ausbruch von COVID-19, um Oppositionsaktivisten […] einzusperren“. Armenien und Ägypten sperren derweil Nachrichtenportale und verteilen Verwarnungen. Medienschaffende müssen aufgrund von „Panikmache“ unter Androhung von Strafzahlungen Artikel redigieren oder ganz löschen und sich öffentlich für ihre vermeintlichen Falschmeldungen entschuldigen. Der „The Guardian“-Journalistin Ruth Michaelson wurde in Kairo die Akkreditierung entzogen, da sie über eine Studie berichtet hatte, die die Zahl der Infizierten in Ägypten deutlich höher einordnet als von der ägyptischen Regierung offiziell angegeben.

Der Entwurf zu einer Notverordnung für Ungarn von Ministerpräsident Viktor Orbán sieht eine fünfjährige Haftstrafe für Personen vor, die „vor großer Öffentlichkeit Falschnachrichten“ verbreiten. Diese Regelung soll langfristig ins ungarische Strafgesetzbuch übernommen werden. In Honduras wurde der Verfassungsartikel zur Pressefreiheit außer Kraft gesetzt.

Fakt ist, die Zensur hat System. Um das wahre Ausmaß der Pandemie und die damit einhergehende eigene Überforderung und Hilflosigkeit nicht zugeben zu müssen, werden in verschiedenen autoritären Staaten Vorwürfe erfunden und damit dann rigoros gegen Journalist*innen und Whistleblower vorgegangen. Oder, um eine Person des iranischen Geheimdienstes zu zitieren: „Das Land ist im Krieg und diese Informationen zu veröffentlichen kommt Kollaboration mit dem Feind gleich.“

Doch das ist ein Problem für die effektive Eindämmung der Pandemie. Journalist*innen und Whistleblower wie Dr. Li Wenliang müssen gehört werden. Die Universität Southampton, hat in Analysen festgestellt, dass die Zahl der Infizierten in China bei einer deutlich früheren Berichterstattung um 86 Prozent hätte gesenkt werden können.

Die Berichterstattung darf nicht an Staatsgrenzen zum Stillstand kommen! Krisenbewältigung darf – nirgendwo auf der Welt – zur Beschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit genutzt werden. Mit Blick auf die besonders restriktiven Systeme sollte sich die internationale Berichterstattung bemühen, dort Aufmerksamkeit zu schaffen, wo es die lokalen Medien nicht tun. Die Berichterstattung der Journalist*innen muss von internationalen Organen wie den Vereinten Nationen sowie der deutschen Außenpolitik aktiv unterstützt werden, indem Zensur und Unterdrückung öffentlich angeprangert werden! Davon können Menschenleben abhängen, wie das Beispiel China zeigt. Berichterstattung darf nicht vor Landesgrenzen, unterschiedlichen Regierungssystemen und Staatsformen Halt machen. So wenig wie die sich global rasant ausbreitende Pandemie.

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