Frankreich: Whistleblowing, Interessenskonflikte und die Affäre rund um L‘Oréal

Am 26. Jänner 2011 hatte die sogenannte Sauvé Kommission Präsidenten Sarkozy einen Bericht mit der Überschrift „Für eine neue Ethik im Staatswesen“ vorgelegt. Die Kommission ist gemeinhin unter dem Namen ihres Vorsitzenden, dem Stellvertretenden Staatsratspräsidenten Jean-Marc Sauvé, bekannt.
Der Staatsrat übt in Frankreich sowohl die Funktion eines beratenden Organs der Regierung als auch eines Verwaltungsgerichtshofes aus. Offiziell heißt die Sauvé KommissionUntersuchungskommission zur Vorbeugung von Interessenskonflikten innerhalb der öffentlichen Hand“ aus.
Die Kommission war am 10. September 2010 als Folge der Bettencourt Affäre eingesetzt worden, bei welcher die reichste Frau Frankreichs, der L‘Oréal Haupteigentümerin Liliane Bétencourt, vorgeworfen worden war, illegale Parteispenden an Präsidenten Sarkozy und Arbeitsminister Eric Woerth geleistet zu haben.
Der Sauvé Bericht hatte unter anderem die gesetzliche Einführung eines Whistleblowing Medlesystems für Interessenskonflikte empfohlen, dank welchem es Staatsangestellten erlaubt werden sollte, mögliche oder tatsächliche Interessenskonflikte von wichtigen Amtsträgern wie Regierungsmitglieder und Leiter öffentlicher Unternehmen, zu melden (Seiten 88 bis 90). Als mögliche Meldestellen identifiziert der Sauvé Bericht, die Staatsanwaltschaft, ein behördeninternes Ethikbüro bzw. den oder die Vorgesetzte.
Nun wurde am 27. Juli 2011 ein Gesetzesentwurf auf der Grundlage des Berichtes der Sauvé Kommission dem Ministerrat vorgelegt. Die empfohlene Whistleblowing Regelung ist allerdings nicht darin enthalten. Der Entwurf wurde im wesentlichen auf die Schaffung einer Behörde zur Überprüfung von Unvereinbarkeiten zwischen öffentlichen Funktionen und privaten Interessen bedeutender Amtsträger zurückgestutzt.
Dabei sind die bereits bestehenden Whistleblowing Regelungen für Beamte in Frankreich fortschrittlicher als die österreichischen: Dort sind Beamten schon jetzt verpflichtet, Strafdelikte, die sie im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit wahrnehmen, der Staatsanwaltschaft zu melden. Sie dürfen dies, ohne zuvor ihren Vorgesetzten mit der Angelegenheit befassen zu müssen.
In Österreich hingegen ist eine Meldung des Beamten oder sogar des Dienststellenleiters unmittelbar an die Staatsanwaltschaft nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt (wegen § 53 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG), VwSlgNF 13.561 A/1992 – siehe Webseite: Whistleblowing in Behörden).
Doch selbst die vom Wortlaut her schlagkräftigere französische Bestimmung lässt laut Sauvé Bericht, was deren Wirksamkeit anbelangt, zu wünschen übrig. Ein Grund dafür sei, dass die durch einen Beamten unterlassene Meldung einer Straftat grundsätzlich nicht bestraft wird, wenn auch  im Einzelfall eine Anklage wegen Beihilfe zur Straftat bzw. Disziplinarmaßnahmen möglich seien.
Whistleblowing Austria / Walter Gehr

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