
Die Amtstierärztin Dr. Margrit Herbst macht 1994 ihren begründeten Verdacht auf BSE-Befall deutscher Rinder öffentlich. Seit 1990 sind ihr im Rahmen von Schlachttier-Untersuchungen BSE-Symptome bei Rindern aufgefallen. Doch ihre internen Meldungen bleiben erfolglos, und das Fleisch wird weiter für den Verzehr verarbeitet. Herbst wird daraufhin gekündigt und sie erhält nie wieder eine Anstellung. Das ihr später angetragene Bundesverdienstkreuz lehnte sie mit guten Gründen ab.
Ihr Erfahrungsbericht
Zerstörung meiner finanziellen Existenzgrundlage
1. Gehaltseinbußen bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und schließlich deutlich verminderten Rentenansprüchen nach Einstellung der Gehaltszahlungen wg. Arbeitsplatzverlust im Alter von 54 Jahren
2. durch Aufwendungen für Gerichts- und Anwaltskosten
3. durch Fahrten zu den Arbeitsämtern, Gerichten, Anwälten und Ärzten
4. durch erhebliche Aufwendungen für eigene Büroarbeiten im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzungen
5. durch Kosten für Umzüge in kleinere Wohnungen
B. Gesundheitsschäden infolge Mobbing und der systematischen Einschränkung und Behinderung meiner BSE-Untersuchungsmöglichkeiten durch Vorgesetzte
Da der Arbeitgeber wegen meines Schwerbehindertenstatus und meiner langjährigen Angestelltentätigkeit kein normales Kündigungsrecht hatte, wurde Mobbing eingesetzt mit der Zielsetzung, mich aus dem Arbeitsverhältnis heraus zu drängen. Dass systematischer Psychoterror durch Mobbing meine Gesundheit geschädigt hat, beweisen das gehäufte Auftreten von verschiedenen gravierenden, teils irreversiblen Gesundheitsschäden und die zunehmenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.
Rechtlich relevante Mobbing-Handlungen:
1. Zwang zur Durchführung von gesundheitsschädlichen Arbeiten
2. Vorenthaltung von Lärmschutzmaßnahmen
3. Ablehnung von Arbeitsplatzumbesetzungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen
4. Zwang zur Übernahme von sinnlosen oder kränkenden Arbeiten
5. Herabsetzende und entwürdigende Kritik der Arbeitsleistung
6. Verbale Drohungen gegen mich als alleinerziehende Mutter
7. Bespitzelung durch Kollegen und Schlachthofmitarbeiter
C. Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierung
1. durch schikanöse Weisungen des Fleischhygieneamtsleiters Dr. B, z. B. zur Anfertigung von schriftlichen Strafarbeiten und Zwang zur Untersuchung eines BSE-verdächtigen Rindes ohne minimale Schutzvorkehrungen.
2. durch üble Nachrede der Abgeordneten Frau Dr. XX in einem Artikel der Segeberger Zeitung mit der Überschrift: „Veterinärin muss zur Verantwortung gezogen werden“.
3. durch Verleumdung von Frau Dr. B., dokumentiert in einem Zeitungsbericht des Hamburger Abendblattes mit der Überschrift: „BSE-Amt geht in die Offensive“.
4. durch wissentlich falsche Verdächtigung durch den Landrat des Kreises Segeberg im Rahmen eines tierseuchenrechtlichen Bußgeldverfahrens. Verfahrenseinstellung nach anwaltlicher Androhung der Erstattung einer Strafanzeige.
5. durch fristlose Kündigung nach Irreführung der Öffentlichkeit und des Landtages „in Sachen BSE“, dokumentiert in einem MELFF-Intersuchungsbericht aus dem Jahre 1994, und verzerrenden Behauptungen der Arbeitgeberseite in den Gerichtsverfahren.
Bitte um Gerechtigkeit
Entlassen wurde ich, obwohl das Landesarbeitsgericht eine Wiedereinstellung empfohlen hatte, weil es erkannt hatte, dass es in meinem Fall letztlich um das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit ging. Auch heute noch erwarten die Öffentlichkeit und ich, dass die Politik endlich die Verantwortung für das Unrecht, das ich erleiden musste, übernimmt und mir wenigstens eine angemessene finanzielle Entschädigung zukommen lässt. Auf diese Art und Weise könnte man unseren Bürgern ein wenig Politikverdrossenheit nehmen und mir die Möglichkeit geben, in einem angemessenen Rahmen mein weiteres Leben zu gestalten.
Schlussbetrachtung
Seit vielen Jahren wird uns versichert, dass das Infektionsrisiko für den Menschen verschwindend gering sei, obwohl die Artenbarriere in mindestens 67 Fällen durchbrochen wurde und die Erkenntnisse über die Gesamtheit der spongiformen Enzephalopathien alarmierend sind. Trotz allem fehlen viele wissenschaftliche Fakten, die es ermöglichen, sichere Aussagen über die Anzahl der eventuell latent TSE-Infizierten sowie über die Manifestationsrate dieser bisher therapieresistenten Erkrankungen und ihrer Latenz- und Inkubationszeit zu machen. Der statistischen Wahrscheinlichkeit nach müssen auch in Deutschland BSE-infizierte Menschen vorhanden sein. Immer wieder gibt es auch bei uns von vielen Seiten vertrauliche Hinweise auf Creutzfeldt-Jakob-Patienten. Die Behauptung, dass in Deutschland bisher kein Patient an BSE im Menschen erkrankt sei, widerspricht jeglicher wissenschaftlichen Logik, zumal bereits experimentell nachgewiesen wurde, dass BSE nicht nur in der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, sondern auch als sogenannte sporadische Form, in Deutschland anzutreffen ist. Es ist höchst wahrscheinlich, dass wir es auch in Deutschland mit einem unbekannten Reservoir von Menschen zu tun haben, die mit verschiedenen Erregerstämmen bereits infiziert sind, aber noch keine Krankheitserscheinungen zeigen.
Zusammenfassung
Aufgedeckte Missstände
BSE-Befall bei deutschen Schlachtrindern (BSE ist eine Tierseuche mit meist tödlichem Verlauf, die beim Mensch potenziell zu einer tödlichen Krankheit führt.)
Rolle der Whistleblowerin
- Interne Meldung des Verdachts bei Vorgesetzten
- Forderung weitergehender Untersuchungen
bei beanstandeten Tieren - Offenlegung des BSE-Befalls in einem Fernsehinterview
Folgen für die Whistleblowerin
- Mobbing/ Einschüchterungsversuche
- Verschlechterung der psychischen Gesundheit
- Fristlose Kündigung wegen Verstoß gegen „Pflicht zur Amtsverschwiegenheit“
- Erfolglose Suche nach einer Neuanstellung
Gesellschaftliche Folgen
- Europaweite Debatte über Gesundheit von Schlachttieren
- Sensibilisierung für BSE-Befall
- Parlamentarische Auseinandersetzung (Petitionsausschuss des Landtags Schleswig-Holstein)