Ein neuer Gesetzentwurf zum Whistleblowerschutz liegt vor.

Der lang erwartete Kabinettsentwurf zum Whistleblowerschutz ist da. Er wurde am 27.Juli 2022  verabschiedet. Die Frist zur Umsetzung der zugrunde liegenden EU-Richtlinie war im Dezember 2021 abgelaufen. Die Kommission hatte bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Tatsächlich stellt der vorliegende Gesetzentwurf eine erhebliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar. Gleichwohl lässt auch dieser neuerliche Anlauf – es ist der achte – in vielerlei Hinsicht zu wünschen übrig.

Es fehlt an Rechtssicherheit. Insbesondere der sachliche Anwendungsbereich ist für einen potenziellen Whistleblower nicht zu verstehen. Er oder sie kann ohne juristischen Beistand nicht wissen, was gemeldet werden darf und was nicht.
So ist etwa nur die Meldung von Rechtsverstößen geschützt. Rechtsverstöße meinen hier Straftaten und bestimmte Ordnungswidrigkeiten. Meldungen von ethisch fragwürdigen Handlungen oder erheblichen Missständen unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße sind nicht geschützt. Das kann ein juristischer Laie nicht zweifelsfrei unterscheiden. Der Koalitionsvertrag 2021 sah deswegen noch vor, „sonstiges erhebliches Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“, zu schützen.

Whistleblowing gegenüber den Medien („Offenlegung“) ist weiterhin nur in Ausnahmefällen geschützt.
„Diese Vorschrift genügt weder dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit für Whistleblower noch dem Informations- und Partizipationsanspruch einer demokratischen Gesellschaft.“, sagt Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk. „Whistleblower müssen sich ohne Angst vor Repressalien an die Medien wenden dürfen, um auf erhebliche Missstände aufmerksam zu machen.“
Die „Vierte Gewalt“ kann angesichts grassierender Fakenews auf der einen und ausufernder Geheimhaltungspraxis auf der anderen Seite ihre Kontrollfunktion nicht ausüben, wenn sie im Zweifelsfall nicht auf Informationen von Insidern zurückgreifen darf. Auch geben Insider-Hinweise oft erst den Anstoß zur investigativen Recherche und Aufdeckung politischer und wirtschaftlicher Skandale.
Wendet sich ein Whistleblower hingegen mit einer anonymen Meldung an die zuständige externe Meldebehörde (BfJ), so kann er nicht sicher sein, dass sein Hinweis überhaupt bearbeitet wird. Er sollte, muss aber nicht verfolgt werden – je nach Kapazität der Meldestelle. Nicht-anonyme Meldungen gehen vor. Relevanz und Dringlichkeit sind nachrangig.

Informationen aus Verschlusssachen fallen nur in den Schutzbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf die unterste Geheimhaltungsstufe – „Nur für den Dienstgebrauch“ – beschränken, Straftaten betreffen und absolut behördenintern bleiben. Sie dürfen auch nicht aus dem Dunstkreis der Nachrichtendienste oder der nationalen Sicherheit stammen. Dabei wissen wir nicht erst seit Edward Snowdens Whistleblowing, dass im Bereich der Sicherheitspolitik Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch notorisch zu befürchten sind.

Das Geheimhaltungsbedürfnis der Bundesregierung und ihrer Behörden scheint wieder einmal deutlich größer als der Wunsch, dass Missstände (in den eigenen Reihen) aufgedeckt und beseitigt werden.

 

Kontakt:
WBN – Whistleblower-Netzwerk e.V.
Annegret Falter, Vorsitzende
falter@whistleblower-net.de
Tel: +49 170 2965660

Stellungnahme zum Referentenentwurf von WBN und WIN

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