Ein Lieferkettengesetz braucht Augen und Ohren

Die drei Bundesminister Altmaier, Heil und Müller haben vor einigen Tagen in einer Pressekonferenz angekündigt, nun endlich einen Gesetzesentwurf für ein Lieferkettengesetz in die Ressortabstimmung zu geben. Auch wenn es kurz nach verkündeter Einigung erneut Streit in der Koalition gegeben hat, soll das Kabinett bis Mitte März über den Gesetzesentwurf entscheiden. Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. In einer Welt, in der die Lieferketten schon lange zusammengewachsen sind, ist es an der Zeit, dass die Verantwortung es auch tut.

Der Katalog der im Gesetzesentwurf geschützten Rechtspositionen liest sich durchaus eindrucksvoll. So gehören dazu zum Beispiel die Gleichbehandlung von Geschlecht oder ethnischer Abstammung und die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivhandlungen. Daraus könnten sich spannende Fragen für die Kooperation mit Firmen von Katar bis China ergeben. Doch auch die direkt nach der Pressekonferenz lautgewordene Kritik (v.a.: fehlende zivilrechtliche Haftung, Beschränkung des Geltungsbereichs auf Unternehmen ab 3.000 und ab 2024 auf 1.000 Mitarbeitende, Fokus auf den eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen sowie die direkten Zulieferer) ist angebracht und der Gesetzesentwurf unterläuft die ursprünglichen Ambitionen der Regierung bei Weitem. Man sollte meinen, es sei für Unternehmen geboten, Geschäftsbeziehungen zu beenden, sollte beispielsweise Kinderarbeit im großen Stil entdeckt werden. Mitnichten.

„Wird die Verletzung eines Menschenrechts als sehr schwerwiegend bewertet, ist der Abbruch einer Geschäftsbeziehung nur geboten, wenn die Umsetzung der im Konzept erarbeiteten Maßnahmen nach Ablauf der im Konzept festgelegten Zeit keine Abhilfe bewirkt und dem Unternehmen auch keine anderen milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine Erhöhung des Einflussvermögens nicht aussichtsreich erscheint.“ (§ 8 Abs. 3)

Verantwortung für mittelbare Zulieferer

Konkret unterscheidet der Gesetzesentwurf eine Abstufung der Sorgfaltspflicht zwischen 1.) dem eigenen Geschäftsbereich, 2.) den direkten Zulieferern, mit denen Vertragsbeziehungen bestehen, und 3.) den mittelbaren Zulieferern bis hinunter zum Rohstofflieferanten. Das hat zur Konsequenz, dass Unternehmen keine eigene Überprüfung von mittelbaren Zulieferern vornehmen müssen, aber in der Pflicht stehen, sobald sie einen Hinweis auf gravierende konkrete menschenrechtliche Verstöße erhalten.

Also müssen Unternehmen einfach die Ohren und Augen für Hinweise verschließen? Der Gesetzesentwurf lässt ihnen dafür viel Spielraum. Die Vorgaben für die Ausgestaltung der unternehmenseigenen Beschwerdeverfahren bleiben so sehr im Vagen, dass Unternehmen kaum Anstrengungen unternehmen müssen, wirklich wirksame Systeme zu entwickeln. Weder ist die Pflicht zur Annahme anonymer Hinweise vorgeschrieben, noch sind Bearbeitungsfristen für eingehende Hinweise definiert, noch wird weiter spezifiziert, in welcher Form Unternehmen entlang ihrer Lieferkette potenziell Betroffene über die Existenz und Funktionalität von Beschwerdeverfahren informieren müssen. Hier muss nachgebessert werden, denn die jetzigen Vorgaben liegen unter Best-Practice-Erfahrungen international agierender Unternehmen, den Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und anderen rechtlichen Vorgaben (z.B. EU-Whistleblowing-Richtlinie).

Zu den Aufgaben der Kontrollbehörde, die eingerichtet werden soll, muss also auch gehören, dass sie kontrolliert, ob Unternehmen den Zugang zu geeigneten und effektiven Systemen fördert oder ob sie lieber die Augen und Ohren verschließen. „Geeignet und effektiv“ bedeutet dabei nicht, einen Briefkasten vor dem Büro des Chefs aufzuhängen oder eine Mailadresse einzurichten und sich dann zurückzulehnen.

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