BDA fordert verfassungswidrige und unionsrechtswidrige Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie

Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich Teile der deutschen Wirtschaft gegen ein umfassendes Whistleblowerschutzgesetz wehren und dafür nicht vor faktisch falschen oder irreführenden Behauptungen zurückschrecken. Dabei müsste es im Interesse der Wirtschaft sein, von Whistleblowern frühzeitig auf Missstände und Fehlentwicklungen hingewiesen zu werden bevor der Schaden für Unternehmen und Gesellschaft zu groß wird – gerade nach den Skandalen der letzten Jahre. Eine Erkenntnis, die bei den Verfassern eines Positionspapiers zur Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) jedoch noch nicht durchgedrungen zu sein scheint.

Das von der BDA geforderte „1:1-Gesetz“ wäre verfassungswidrig.

Die BDA spricht sich für eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie und damit für eine Beschränkung des Whistleblowerschutzes auf Hinweise über Verstöße gegen europarechtliche Vorschriften aus. Das würde beispielsweise dazu führen, dass ein Whistleblower, der einen geringfügigen Verstoß gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung meldet, von besseren Schutzstandards profitieren würde als ein Whistleblower, der Verstöße gegen rein national bedingte Straftatbestände (u.a. schwere Fälle von Wirtschafts- oder Gewaltkriminalität) aufdeckt. Eine derartige Ungleichbehandlung würde nicht nur alle betroffenen Parteien vor massive Rechtsunsicherheit stellen, sondern wäre objektiv willkürlich. Nach Einschätzung von Christian Thönnes, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ruft die BDA daher nach einem verfassungswidrigen Umsetzungsgesetz, wenn sie „keine überschießende Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie“ fordert (s. auch).

Vorrang interner Meldung: Das von der BDA geforderte Umsetzungsgesetz wäre unionsrechtswidrig.

Die BDA fordert, dass Hinweise weiterhin zunächst über interne Meldekanäle abgegeben werden müssen. Auch Prof. Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn behauptet in einem Gastbeitrag für die FAZ, die Richtlinie sehe einen Vorrang für internes Whistleblowing vor und bezeichnet die im Referentenentwurf des BMJV vorgesehene Gleichrangigkeit von internem und externem Whistleblowing als „schlicht übergriffig“. Dabei setzt das Bundesjustizministerium damit nur eine eindeutige  Vorgabe der EU-Richtlinie um, wie Dr. Simon Gerdemann und die ehemalige EuGH-Richterin Prof. Dr. Ninon Colneric (WBN-Beiratsmitglied) in ihren Leserbriefen ausführen. Der Unionsgesetzgeber überlässt es bewusst dem Whistleblower, ob er seine Hinweise erst an interne oder unmittelbar an externe Stellen weitergeben will. Durch die Gleichrangigkeit treten Whistleblower-freundlich ausgestaltete, interne Meldekanäle in fruchtbaren Wettbewerb mit externen Meldekanälen. Wie Studien belegen, entscheidet sich die große Mehrheit der Hinweisgeber*innen für internes Whistleblowing, sofern sie Vertrauen in die internen Meldekanäle und die Verantwortlichen hat. Nach Einschätzung von Christian Thönnes brächte sich der deutsche Gesetzgeber daher in einen direkten Widerspruch zum Unionsrecht, wenn er den irreführenden Forderungen der BDA folgte, und entgegen dem klaren Wortlaut der Whistleblowing-Richtlinie am bestehenden deutschen dreistufige Meldesystemfesthalten würde. Ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 Abs. 1 AEUV) gegen die Bundesrepublik Deutschland mitsamt massiven volkswirtschaftlichen Schäden sowie langjähriger Rechtsunsicherheit für alle Betroffenen wäre die Folge.

Im Verlauf des Positionspapiers sind weitere irreführende Forderungen zu finden. Sie betreffen u.a. das Verhältnis zwischen europäischer und nationaler Rechtsprechung, den Ausschluss von Antragsdelikten und die Ablehnung der Beweislastumkehr. Wenn die BDA derartig juristisch unhaltbare und interessensgeleitete Rechtsauffassungen in ihren Arbeitgeberkreisen kursieren lässt, dann ist es wenig verwunderlich, dass sich die Unternehmen weiter erbittert gegen eine soliden Whistleblowerschutz wehren – obwohl sie von einem solchem Frühwarnsystem profitieren würden. Folgte der Gesetzgeber den Behauptungen und Forderungen des BDA-Positionspapiers, entstünde ein Gesetz, das Whistleblowern, der Gesellschaft und der Wirtschaft schaden statt nützen würde.

 Weiterführende Informationen

Positionspapier der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände

Replik auf das Positionspapier der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände

Positionspapier zur Umsetzung der EU-Richtlinie

Leserbriefe zum Gastbeitrag von Prof. Dr. Thüsing in der FAZ

Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums

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