Mordserie: Klinikleitung ignorierte Hinweise von Whistleblowern

© Liz Masoner auf Pixabay

85 Patientinnen und Patienten hat der ehemalige Krankenpfleger Nils Högel im Zeitraum von 2000 bis 2005 laut einem Urteil des Oldenburger Landgerichts getötet. Eine Mordserie, die nur deswegen möglich war, weil auf Seiten der Klinikleitung eine „Kultur des Wegschauens“ herrschte und Hinweisen von Whistleblowern nicht konsequent nachgegangen wurde.

Bereits im Oktober 2001 hatten Pflegekräfte die Geschäftsleitung des Klinikum Oldenburgs auf die überdurchschnittlich hohe Zahl an Reanimationen und Todesfällen während Nils Högels Dienstzeiten aufmerksam gemacht. Aus Angst um den Ruf des Hauses entschied sich die Klinikleitung jedoch gegen eine Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Stattdessen wurde Nils Högel versetzt und später mit einem sehr guten Arbeitszeugnis freigestellt. Ein übliches Vorgehen am Klinikum Oldenburg: Nils Högel sei „nicht der einzige gewesen, der nach rechtswidrigem Verhalten mit einem guten Zeugnis weggelobt“ wurde“, zitiert die Süddeutsche Zeitung einen ehemaligen Mitarbeiter. Nils Högel konnte so bei seinem neuen Arbeitgeber, dem Klinikum Delmenhorst, weiter Patienten umbringen. Auch dort wurde Hinweisen auf seine Taten nicht nachgegangen.

Der Fall ist symptomatisch für die fehlende Wertschätzung für Whistleblowing in vielen Unternehmen und Organisationen.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Totschlags durch Unterlassen gegen mehrere ehemalige Vorgesetzte von Nils Högel erhoben. Gleichzeitig ist der Fall symptomatisch für die fehlende Wertschätzung für Whistleblowing in vielen Unternehmen und Organisationen. Ein angemessener Umgang mit den Hinweisen hätte Menschenleben gerettet. Trotzdem entschieden sich beide Klinikleitungen für Vertuschung und brachten damit die Whistleblower in eine schwierige Situation. Schließlich hätte bei der gegenwärtigen Rechtslage eine externe Weitergabe dieser Daten gravierende Folgen für ihr Arbeitsverhältnis haben können. Hier muss ein Umdenken in Unternehmen und Organisationen stattfinden. Die meisten Whistleblower sind keine „Nestbeschmutzer“, sondern wollen Schaden von Arbeitgeber und Gesellschaft abwenden. Ihr Engagement verdient daher Beachtung und Unterstützung. Dazu gehören anonyme Meldesysteme, Schutz vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen und klare Vorgaben, wie mit ihren Informationen umgegangen werden muss. Einen ersten Schritt dahin ist das Klinikum Oldenburg mit der Installierung eines anonymen Meldesystems gegangen. Ob damit die überfällige Änderung der Unternehmenskultur einhergeht, bleibt abzuwarten. Die Strafverfolgung der Krankenhausleitung dürfte dazu beitragen.

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