Zivilgesellschaft kritisiert transatlantischen Cyber-Dialog

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen Reporter ohne Grenzen, Amnesty International, Privacy Project in der Stiftung Neue Verantwortung, DJV, DJU in Verdi, Berliner Anwaltsverein, Digitale Gesellschaft, Humanistische Union und Whistleblower-Netzwerk drücken in einem offenen Brief an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ihr Missfallen über den am 27. Juni beginnenden Transatlantischen Cyber-Dialog aus. Die Idee zum Cyber Dialog entstand, nachdem US-Außenminister John Kerry und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich nicht auf das ursprünglich geplante No-Spy-Abkommen einigen konnten. Genau heute vor einem Jahr (5./6. Juni 2013) hatten internationale Medien damit begonnen, die Enthüllungen von Edward Snowden über die Überwachungspraktiken der NSA zu veröffentlichen. Das No-Spy-Abkommen hätte als Konsequenz daraus das gegenseitige Ausspähen von Bürgern und Regierungen verbieten sollen.

In dem jetzt geplanten Cyber-Dialog kommen entscheidende Themen bislang nicht zur Sprache. Die unterzeichnenden Organisationen fordern deswegen Klarheit etwa über die Frage, wie der volle Grundrechtsschutz für deutsche und US-amerikanische Bürger wieder hergestellt werden kann, wie die deutsche und die US-Regierung sicherstellen wollen, dass Journalisten und Rechtsanwälte sich auf ihren besonderen Schutz verlassen können und wie besonders schutzwürdige Gruppen wie Menschenrechtsorganisationen in Zukunft sicher kommunizieren können.

Die Unterzeichner drücken zudem ihr Erstaunen aus, dass wichtige Akteure an dem geplanten Dialog nicht beteiligt sind, etwa das Parlament, die politisch Verantwortlichen für die Nachrichtendienste, das Bundeskanzleramt oder das Bundesjustizministerium sowie Ministeriumsvertreter aus den USA.

Selmin Caliskan, Generalsekretärin von Amnesty International: Dass internationale Menschenrechtsorganisationen ausspioniert werden, muss Konsequenzen haben. Auf diese Weise wird zivilgesellschaftliches Engagement kriminalisiert und Bürger/innen abgeschreckt, sich zu engagieren. Unsere Regierung muss sich dazu rechtsstaatlich eindeutig beim Cyber-Dialog positionieren.

Ulrich Schellenberg, Berliner Anwaltverein: Die vertrauliche Kommunikation zwischen Anwälten und ihren Mandanten ist eine Grundlage freiheitlicher Rechtsstaaten. Wir erwarten Antworten beider Regierungen, wie dies in Zukunft sichergestellt werden soll.

Volker Tripp, politischer Referent bei Digitale Gesellschaft: Anstatt die Snowden-Affäre gründlich aufzuklären verhindern die Regierungen der USA und Deutschlands konsequent die Vernehmung des wichtigsten Zeugens. Sie stehen offensichtlich auch beim Cyber-Dialog einer weiteren Aufklärung im Wege.“

Cornelia Haß, DJU-Bundesgeschäftsführerin: Ein Cyber-Dialog muss Antwort auf die Frage geben, wie Journalisten in Zukunft vor einer Überwachung der Geheimdienste geschützt werden können.

Hendrik Zörner, DJV-Pressesprecher: Journalisten können ihre wichtige Funktion nur ausüben, wenn sie nicht für den Besitz geheimer Dokumente kriminalisiert werden. Der Einsatz des Anti-Spionage-Gesetzes gegen Whistleblower in den USA ist nicht hinnehmbar, die deutsche Regierung muss die amerikanischen Partner hier in die Pflicht nehmen.

Markus Löning, Direktor des Privacy Project der Stiftung Neue Verantwortung: Geheimdienste müssen einer funktionierenden, rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen. Ein solcher Dialog böte die einzigartige Möglichkeit, hier neue Antworten zu finden.

Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen: Im vergangenen Jahr haben Journalisten weltweit investigativ recherchiert, um die Öffentlichkeit über das Treiben der Geheimdienste aufzuklären. Um die Pressefreiheit international zu schützen, müssen Geheimdienste nun endlich effektiv kontrolliert werden, und das muss Thema beim Cyber-Dialog sein.

Annegret Falter, Vorstand des Whistleblower-Netzwerks: In Deutschland und den USA müssen Whistleblower auch im Sicherheitsbereich ausreichend geschützt werden. Vertreter beider Regierungen müssten hier geeignete Maßnahmen mit der Zivilgesellschaft erörtern.

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