Buchbesprechung: Der Ombudsmann als Institution des Europäischen Verwaltungsrechts

Es gibt Menschen, die sich mit ihrer Promotion richtig viel Arbeit machen. Julia Haas gehört sicherlich dazu. Auf weit über 700 Seiten nimmt sie sich des Themas Ombudsmann an. Obwohl angesichts der Häufung von Schachtelsätzen nicht immer leicht zu lesen, bietet das Buch viele Interessante Erkenntnisse. Die vielleicht wichtigste lautet: Auch Deutschland könnte davon profitieren, wenn es bei Bund- und Ländern flächendeckend Ombudsleute gäbe.
Nun mag man einwenden, dass es in Deutschland doch bereits viele Ombudsleute für alles mögliche gibt und täglich neue, z.B. auch als Ansprechpartner für Whistleblower geschaffen werden. Aber Haas wendet sich gerade gegen diese inflationäre und konturlose Verwendung des Begriffs. Sie versucht hier ausgehend von der historischen Entwicklung des Justitieombudsman in Schweden (1809) über den dänischen Folketingets Ombudsmand (1955) und den Europäischen Bürgerbeauftragten (1995) herauszuarbeiten, was eine/n wirklichen Ombudsmann/frau ausmachen sollte. Haas stellt dar, wo jenseits der Aufgaben von Exekutive, Legislative und Judikative Ombudsleute auf EU-Ebene und in vielen Staaten eine wichtige eigenständige Funktion haben und auch in Deutschland haben könnten. Immerhin gibt es in 25 von 27 EU-Staaten derzeit nationale Obudsleute, in Deutschland hingegen nur in drei Bundesländern (in Rheinland-Pfalz, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern) Ombudsleute mit umfassender Zuständigkeit die der Definition und den Kriterien von Haas genügt.
Als Kriterien für einen idealtypischen Ombudsmann nennt Haas vor allem:
– eine von Unabhängigkeit und Neutralität geprägte institutionelle Stellung: möglichst mit Bestellung, Kontrolle und Abberufung nur durch das Parlament, eine Unabhängigkeit der täglichen Arbeit auch von diesem sowie fachliche Qualifikation und Absicherung des Amtsinhabers durch Inkompatibilitäts- und Immunitätsregeln.
– Befugnisse sowohl zu eigenständigen Initiativ-Untersuchungen als auch zum Tätigwerden aufgrund von Beschwerden, für die allenfalls geringe Zugangshürden bestehen dürfen; des weiteren auch die Befugnis zu möglichst umfassenden Akteneinsicht und Inspektionstätigkeit, die auch in der Praxis durchsetzbar sein muss;
– Weitgehende Zuständigkeit in Bezug auf das gesamte Handeln der staatlichen Verwaltung (organisatorisch und funktional) wobei bei präventiven Maßnahmen auch Entscheidungs- und Sanktionsbefugnisse bestehen können, der Schwerpunkt aber auf weichen Befugnissen in Form von Beanstandungen, Empfehlungen und Berichterstattungsrechten liegen sollte;
– sowie schließlich ein doppelter Prüfungsmaßstab im Sinne von Rechmäßigkeitskontrolle ergänzt um die Kontrolle der Grundsätze guter, also z.B. transparenter und bürgerorientierter, Verwaltung.
Gerade wer schon einmal Erfahrungen mit Petitionsausschüssen und Gerichten machen durfte weiß, dass die vorgenannten Aspekte von jenen Institutionen keineswegs umfassend abgedeckt werden. Petitionsausschüssen geben sich allzu oft mit einer bloßen ministeriellen Stellungnahme zufrieden ohne in Details von Beschwerden einzusteigen oder gar Vor-Ort-Inspektionen vorzunehmen. Verfahren vor den Gerichten sind langwierig, kostenintensiv, auf eine bloße – oft sehr formale -Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt und zugleich arbeiten Gerichte immer nur punktuell am Einzelfall und können keine Analysen und Empfehlungen zu darüber hinausreichenden generellen Problemlösungen bieten. Viele dieser Schwächen könnten Ombudsleute ausgleichen und tun dies in anderen Staaten auch. Deutschland hat hier einen Nachholbedarf und es ist der Verdienst der Arbeit von Julia Haas diesen durch den europäischen Vergleich aufzuzeigen.
Haas, Julia: Der Ombudsmann als Institution des Europäischen Verwaltungsrechts; ISBN: 978-3-16-152228-4; 2012.

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