Buchbesprechung: Sänger – Whistleblowing in der börsennotierten Aktiengesellschaft

Die juristische Promotion stellt gesellschaftsrechtliche und organisationsrechtliche Fragen interner Whistleblowing-Systeme in Aktiengesellschaften in ihren Mittelpunkt, welche ansonsten bei der Beschäftigung mit internen Whistleblowing-Systemen oft, wenn überhaupt, nur am Rande behandelt werden.
Das Buch ist sicherlich keine leichte Kost und vor allem für Experten gedacht. Für diese enthält es jedoch zahlreiche wertvolle Anregungen die bei der Aufstellung eines Hinweisgebersystems in einer international tätigen börsennotierten
Ausgangspunkt der Arbeit sind die Anforderungen des US-Rechts und insbesondere des Sarbanes Oxley Acts und ihre Übertragbarkeit auf deutsche Aktiengesellschaften. Hier sieht der Autor trotz der unterschiedlichen Struktur der Aktiengesellschaften in den USA und in Deutschland keine unüberwindlichen Umsetzungshindernisse, fordert aber ein, dass dabei auf die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung der AG nach deutschem Recht Rücksicht zu nehmen ist. Hierzulande sei zuförderst der Vorstand für die Führung der AG verantwortlich, während dem Aufsichtsrat nur eine überwachende Funktion zukomme. Dem sei dadurch Rechnung zu tragen, dass Informationen aus einem Hinweisgebersystem in der Regel zunächst an den Vorstand gelangen sollten, der zu einem seiner Legalitätspflicht entsprechendem Handeln verpflichtet sei.
Um dem Aufsichtsrat seinerseits die Überwachung des Vorstandes zu ermöglichen sollte, nach Meinung Sängers, dieser aber die Möglichkeit erhalten, Informationen aus einem Hinweisgebersystem dann auch direkt zu bekommen, wenn diese Fragen der Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns selbst betreffen. Hinsichtlich letzterem und der Frage, ob der Aufsichtsrat aufgrund solcher Informationen dann auch notfalls unter Umgehung des Vorstandes eigene Ermittlungen anstellen können soll, konstatiert Sänger  eine gewisse Unklarheit des deutschen Aktienrechts. Er schlägt daher eine Ergänzung von § 111 AktG vor, welche dem Aufsichtsrat hier spezifische eigene Rechte einräumen sollte.
Ansonsten sieht Sänger aber keinen gesetzlichen Regelungsbedarf. Seines Erachtens gibt es sehr gute ökonomische Gründe, die für die Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems sprechen. Rechtlich sei außerdem jeder Vorstand zur Legalitäts- und Risikovorsorge verpflichtet, habe aber andererseits einen Ermessensspielraum wie er dieser grundsätzlichen Verpflichtung zur Compliance organisatorisch nachkommen will.
Allerdings sei letzterer gerade bei großen börsennotierten Aktiengesellschaften hinsichtlich der Vorsorge gegenüber bedeutenden Risiken mittlerweile schon konkretisiert worden. Diesbezüglich verweist der Autor auf die Rechtsprechung zu §§ 76 Abs. 1 und 93 AktG sowie zu §§ 30 und 130 OWiG und die hieraus hergeleitete Haftung. Für börsennotierte Aktiengesessellschaften i.S.v. § 3 Abs. 2 AktG macht Sänger sogar noch eine „kapitalmarktorientierte Trennlinie“ aus und leitet für jene aus Normen wie §§ 110 Abs. 2, 161 und 171 Abs. 2 S. 2 AktG und § 291 Abs. 3 HGB noch weitergehende Sorgfaltspflichten zum Schutze der Aktionäre ab. Zumindest insoweit bestünde, so folgert er weiter, demnach schon heute nach deutschem Recht eine Verpflichtung börsennotierter Aktiengesellschaften „unternehmensweite Whistleblowingverfahren für erhebliche Rechtsverstöße und Unregelmäßigkeiten im Bereich der Finanzberichterstattung einzurichten“.
Eine weitergehende Regulierung lehnt Sänger ab. Diese könne letztlich den Besonderheiten von unterschiedlichen Unternehmensgrößen, Branchen und damit auch Risiken nicht gerecht werden. Sänger vertraut insoweit auf Selbstregulierungskräfte des Marktes (notfalls wohl unterstützt durch die Rechtsprechung in Haftungsangelegenheiten), die er gerne durch eine, die von ihm herausgearbeiteten Pflichten des Vorstandes klarstellende, Ergänzung des Deutschen Corporate Governance Kodex unterstützt sähe.
Sänger, Marc: Whistleblowing in der börsennotierten Aktiengesellschaft; ISBN: 978-3-631-60658-2; 2011. 
 

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