Nachtrag zum gestrigen Liveblogging

Zum gestrigen Liveblogging aus dem Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnderaffäre möchte ich noch anmerken:
Es handelte sich aus meiner Sicht um eine zeitnahe Schilderung, quasi in Form einer schriftlichen Live-Reportage aus einer öffentlichen Sitzung. Ich habe mich bemüht die dortigen Vorkommnisse so gut wie mir möglich zu schildern. Dabei sind mir schon angesichts des Zeitdrucks der weiterlaufenden Geschehnisse, des parallelen Schreibens und Zuhörens und auch aufgrund des Umfangs sicherlich zahlreiche Auslassungen und Unkorrektheiten von Einzelheiten unterlaufen. Diese bedauere ich ebenso wie gehäuft auftretende falsche Schreibweisen von Namen und das Weglassen von Titeln. Ich habe die Namen und alles andere so aufgeschrieben wie ich sie verstanden habe.
Dennoch möchte ich davon absehen die beiden Originalblogmeldungen nachträglich zu korrigieren und insoweit deren Authentizität erhalten. Auch heute könnte eine Korrektur außerdem ja nur einen kleinen Teil der Fehler beheben. Was die Namen und Titel der Ausschussmitglieder angeht, sei aber dennoch explizit auf deren Auflistung beim hessischen Landtag verwiesen. Falls sich jemand durch eine Falschdarstellung persönlich betroffen fühlen sollte, bitte ich um Kontaktaufnahme, damit dann gegebenenfalls eine Korrektur von Fehlern möglich ist.
Inhaltlich sehe ich das Liveblogging nicht als “Passiver Widerstand” sondern schlicht als Ausübung meiner allgmeinen Handlungs-, Informations- und Meinungsfreiheit. Es gibt meines Wissens keine Rechtsnorm, die eine hinreichende Rechtsgrundlage darstellen könnte mir dieses Liveblogging zu verbieten. Auch seitens des hessischen Landtages und des Ausschussvorsitzenden und Rechtsanwalts Leif Blum (FDP), der dieses Verbot dennoch aussprach, ist mir keine solche Rechtsnorm benannt worden. Die Tatsache dass Blum von einem Vollzug seines Verbots absah, sehe ich ebenfalls als Bestätigung meiner Rechtsauffassung. Warum auch sollte es verboten sein Inhalte einer öffentlichen Sitzung auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Rechtsanwalt Peter Beuth von der CDU Hessen hat gestern (noch während der Ausschusssitzung öffentlich!) eine Presseerklärung zu meinem Liveblogging abgegeben. Und das Verbot als richtige Entscheidung gepriesen. Er stützte sich dabei auf drei Begründungen:
Erstens: „Es darf nicht sein, dass im Internet Wortprotokolle aus einer laufenden Untersuchungsausschusssitzung veröffentlicht werden.“ Meine Mitschrift ist aber gar kein Wortprotokoll und erhebt auch gar nicht diesen Anspruch. Was „sein darf“ regelt in diesem Lande außerdem – Gott sei Dank – nicht der Wille eines Mitglied einer Regierungskoalition, sondern allenfalls eine verfassungskonforme rechtliche Regelung. Eine solche gibt es für den vorliegenden Fall aber nicht. § 169ff. GVG regelt nur: „Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.“ Ein „Live-Blog“ ist entgegen der Meinung von Stefan Müller (Untersuchungsausschuss Mitglied der FDP) auch etwas ganz anderes als ein „Live-Stream“. So sind Ton und Bildaufnahmen ohne die Zustimmung Betroffener in Deutschland ja generell gesetzlich verboten, während Berichte über deren öffentlich getätigte Äußerungen – und nichts anders war mein Liveblogging – als Meinungsfreiheitsausübung grundgesetzlich geschützt sind. Dass gerade ein Vertreter eine liberalen Partei, zu einer derart weiten freiheitsfeindlichen Auslegung des bestehenden Rechts kommt, verwundert doch sehr.
Zweitens: „Nachfolgende Zeugen werden so vor ihrer Aussage in nicht zu rechtfertigender Weise beeinflusst“. Dies ist m.E. nicht tragfähig. Wer hindert denn spätere Zeugen daran sich im Nachgang früherer und vor ihrer eigenen Vernehmung aus den klassischen Medien zu informieren? Auch diese haben ja den Anspruch in ihrer Berichterstattung die wesentlichen Inhalte von Zeugenaussagen zu erfassen und wären im übrigen auch nicht gehindert mit Stenographen zu arbeiten und deren Mitschriften im 5 Minuten Takt quasi-live zu veröffentlichen. Schließlich hindert auch niemand spätere Zeugen daran eigene Vertrauensleute in frühere Vernehmungen „einzuschmuggeln“ die dann ebenfalls unbegrenzt mitschreiben und dies den Zeugen mitteilen würden. Eine öffentliche Livemitschrift ist dagegen äußerst transparent und setzt alle Beteiligten in den gleichen Informationsstand.
Drittens: „Der Blogger war als Besucher für die heutige Ausschusssitzung angemeldet, also kein akkreditierter Journalist. … Mit Gleichsetzung dieses Bloggers mit Vertretern der Landespressekonferenz erweist sie nicht nur dem Untersuchungsanspruch, sondern auch der Bedeutung der Presse für die öffentliche Berichterstattung in Hessen einen Bärendienst“. Dazu ist zunächst anzumerken, dass in der Einladung für die gestrige Sitzung, keine generelle Akkreditierungspflicht begründe und auch nicht auf eine solche hingewiesen wurde. Ich wurde auch zu keinem Zeitpunkt danach befragt, ob ich Journalist sei, noch wurde mir gegenüber von irgendjemandem auf meine angeblich fehlende Akkreditierung hingewiesen. Des weiteren ist der Begriff „Journalist“ rechtlich nicht geschützt und bei einer zeitgemäßen Auslegung des Grundrechts auf Pressefreiheit aus Art. 5 GG muss dieses, nach meiner Meinung, auch Medien wie dieses – immerhin seit 5 Jahren bestehende und regelmäßig über aktuelle Geschehnisse berichtende – Blog umfassen. Vielleicht sollte die CDU Medienpolitik sich einmal auf den Weg ins 21.Jahrhundert begeben.
Zum Teil I des Livebloggings
Zum Teil II des Livebloggings

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