Streit zwischen OpenLeaks und WikiLeaks schadet Whistleblowern

Der Chaos Computer Club (CCC) könne nicht beurteilen, ob potentielle Whistleblower, die sich an die Online Plattform OpenLeaks anvertrauten, nachhaltig geschützt werden könnten, melden seit gestern deutsche und österreichische Medien. Nach eigenen Angaben bildet der CCC die größte europäische Hackervereinigung. Dessen Vorstandsmitglied Andy Müller-Maguhn, meinte in einem „Spiegel“ – Interview vom 13. August 2011:
Für mich ist OpenLeaks derzeit nicht mehr als eine Wolke von Sicherheitsversprechen“.
Doch auch um die Sicherheit von Julian Assanges Plattform WikiLeaks gibt es Bedenken So schrieb der Internet Sicherheitsexperte Felix von Leitner in einem Blogeintrag vom 13. August 2011:
„Ich finde es schade, dass wir jetzt keine Leak-Plattform haben, aber ich glaube angesichts der aktuellen Lage nicht, dass von Julian oder Daniel in absehbarer Zukunft eine solche Plattform kommen wird, zu der ich dann auch hinreichend Vertrauen haben könnte, um möglichen Whistleblowern raten zu können, dort ihre gefährlichen Inhalte zu leaken.“
Der Vorstand des CCC hat nun OpenLeaks Gründer Daniel Domscheit-Berg am 13. August 2011 ausgeschlossen. Ob dies rechtens bzw. angemessen war, darüber wird gestritten.
Als Hauptgrund für die Maßnahme wird angegeben, dass Domscheit-Berg den Chaos Communication Camp des CCC zur Absegnung der Sicherheit seiner OpenLeaks Plattform und somit zur Eigenwerbung missbrauchen wollte. Die Plattform hatte er zuvor beim Camp vorgestellt. Auch Geheimdienstkooperations-Verdächtigungen sollen eine Rolle gespielt haben.
Eigentlicher Grund für den Ausschluss sei laut Domscheit-Berg allerdings dessen Weigerung, auf eine CCC Vermittlung im Streit um WikiLeaks-Dokumente, die sich in seinem Besitz befinden, einzugehen: Zu diesen Dokumenten sagte Domscheit-Berg in seinem heuer erschienenen Buch „inside WikiLeaks – Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“:
„Wir haben an dem Material kein Interesse, auch für OpenLeaks werden wir es nicht verwenden. Wir werden es Julian aber erst wieder zurückgeben, wenn er uns nachweisen kann, dass er es sicher aufbewahren kann und damit sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht“ (Seite 250).
Das Buch ist die Geschichte des Zerwürfnisses zwischen Domscheit-Berg und Julian Assange. Beide hatten sich  Ende 2007 auf dem CCC Kongress in Berlin kennengelernt. Ab Jänner 2009 war Domscheidt-Berg hauptberuflich für WikiLeaks tätig geworden und wurde Sprecher der Plattform. Am 26. August 2010 suspendierte ihn Assange. Weniger als einen Monat später, am 17. September 2010, gründete Domscheit- Berg seine eigene Plattform OpenLeaks.
Der CCC war in der Gründungsphase von WikiLeaks ein wichtiger Anlaufpunkt für Domscheit-Berg gewesen. Die Berliner Clubräume des CCC gehörten zu den ersten Adressen, zu denen er hinfuhr, wenn er von Wiesbaden, wo er wohnte, nach Berlin kam.
In einem Interview mit der Zeitung „der Freitag“  vom 10. August 2011 hatte Domscheit-Berg den Unterschied zwischen OpenLeaks und WikiLeaks wie folgt erklärt:
„Es unterscheidet sich darin, dass ein Informant nicht mehr auf eine zentrale Webseite angewiesen ist, auf der er sein Dokument hochlädt und dann darauf warten muss, wie Wikileaks es bewertet, ob die Leute dort Zeit dafür haben, es weltpolitisch interessant genug finden und so weiter. Wikileaks ist zu zentralistisch.

Bei uns hat ein Informant mehr Möglichkeiten, um zu bestimmen, was mit seinem Material passiert: Er kann es zum Beispiel gezielt an einen Partner seiner Wahl geben, also zum Beispiel einer Zeitung, der er vertraut und von der er weiß, dass sie die Ressourcen hat und sich auch mit Material beschäftigt, das andere links liegen lassen. Anders als Wikileaks wird Openleaks gar keine Dokumente selbst veröffentlichen. Wir werden die Materialien nicht einmal selbst lesen können – weil alles sofort automatisch mit Codes der Partner verschlüsselt wird. Wie Dokumente am besten veröffentlicht werden, wie sie aufgearbeitet werden, ob Teile davon zum Schutz von Unbeteiligten geschwärzt werden müssen – all die inhaltlichen und redaktionellen Fragen wollen wir jenen überlassen, die sich professionell damit beschäftigen. Journalisten zum Beispiel.“

Nun hat WikiLeaks am 14. August 201 über Twitter einen Blogeintrag vom 09. Oktober 2009 vorgelegt, der beweisen soll, dass Domscheit-Berg das OpenLeaks Konzept von WikiLeaks gestohlen hat.
Zu all den jüngsten Vorkommnissen rund um Domscheit-Berg meinte nun gestern die Plattform „netzpolitik.org“ , die sich „für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter“ einsetzt:
„Die einzigen Leidtragenden sind dabei die demokratische Öffentlichkeit und potenzielle Whistleblower. Wir alle sind uns einig, dass wir eine Leaking-Plattform (besser viele) haben wollen. Viele von uns wissen auch, dass die technische Seite keine Hexerei ist. Mit einer Kombination bestehender Verschlüsselungs- und Anonymisierungtechniken lässt sich ein sicheres Submission-System bauen.“

Whistleblower Austria wird die weitere Entwicklung von WikiLeaks und OpenLeaks verfolgen und zu gegebener Zeit seine Haltung gegenüber diesen beiden – zur Zeit nicht funktionsfähigen – Dokumentensubmissionsplattformen definieren.
Whistleblowing Austria / Walter Gehr

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