Buchbesprechung: A Global Approach to Public Interest Disclosure

Der aus einer Tagung im letzten Jahr hervorgegangene Sammelband in englischer Sprache, stellt schon im Untertitel die Frage: Was können wir von der bestehenden Whistleblowing-Gesetzgebung und -Forschung lernen? Und auf diese Frage finden sich im Buch dann auch zahlreiche Antworten. Zu Wort kommen dabei z.B. führende US-Forscherinnen wie T.M.Dworkin, M.P.Miceli und J.P.Near aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Großbritannien, Norwegen, Belgien, Südafrika und Australien aus unterschiedlichen Fachrichtungen, die ganz unterschiedliche Aspekte der Whistleblowing-Problematik beleuchten. Es ist dabei vor allem diese Vielfalt, die das Buch auszeichnet und zu einem wichtigen Werk für all jene macht, die sich schnell einen guten Einstieg in die Fragen verschaffen wollen, die weltweit derzeit im Zusammenhang mit Whistleblowing und Whistleblowerschutz diskutiert werden.

Dabei besteht zwischen den Autoren in zwei grundlegenden Fragen weitgehend Einigkeit: Es gibt zwar in einigen Ländern bereits in einzelnen Punkten gute Ansätze und Regelungselemente des gesetzlichen Whistleblowerschutzes (z.B. in Großbritannien und Norwegen) dieser ist aber überall noch verbesserungswürdig und wirft in der praktischen Anwendung immer wieder Probleme für Whistleblower auf. Außerdem besteht noch großer Forschungsbedarf um die Bedingungen besser zu verstehen, unter denen Whistleblowing erfolgreich für alle Beteiligten sein kann.

Der Vielfalt des Sammelbandes auch nur annähernd gerecht zu werden ist an dieser Stelle nicht möglich. Daher sollen nachfolgend nur kurz einige der Highlights angesprochen werden:

  • Ein Richter des Employment Appeal Tribunal bietet Insider-Einschätzungen zur praktischen Wirksamkeit des britischen Public Interest Disclosure Acts (PIDA).
  • Wim Vanderkerkhove zeigt die Theorie des 3-Stufen (intern-behördlich-extern) Ansatzes zum Whistleblowing auf und weist nach, dass diese in Europa sehr unterschiedliche und meist nur sehr unvollständige Umsetzungen erfahren hat.
  • Eine US-Rechtswissenschaftlerin macht die Schwächen des SOX-Schutz-Ansatzes deutlich und stellt diesem die Erfolge des Prämien-Ansatzes der False-Claims-Acts gegenüber.
  • Miceli und Near räumen mit einigen Mythen zu Whistleblowing auf und legen u.a. dar: dass Whistleblower meist gemischte Motive haben, ihre Hinweise i.d.R. zuerst intern geben und dass es keine eindeutigen Erkenntnisse darüber gibt anhand welcher Merkmale sich Whistleblower von der Mehrheit der Mitarbeiter unterscheiden, die auf Missstände leider nicht hinweisen und so große Schäden und Risiken nicht verhindern.
  • Bezeichnend ist auch, dass die Verunglimpfung von Whistleblowern und die kulturellen Hindernisse keineswegs ein deutsches Phänomen sind. So werden Whistleblower in Südafrika z.B. oft als „impimpi“ beschimpft, also mit jenem Wort belegt, welches zuvor für  Kollaborateure mit dem Apartheidsregime und Polizeispitzel reserviert war.
  • Ein anderer wichtiger Aspekt wird durch Daten aus dem bisher weltweit größten Whistleblowing-Forschungsprojekt deutlich, welches sich mit dem öffentlichen Sektor in Australien beschäftigte und dort umfangreiche Umfragen durchführte: das Repressionsrisiko des Whistleblowers ist um so höher, je niedriger seine realtive hierarchische Stellung im Verhältnis zu Beschuldigten ist – oder anders ausgedrückt, wer den Chef anzeigt, hat ganz schlechte Karten, selbst dort wo Regelungen zum Whistelblowerschutz bereits existieren.
  • Ein wenig Hoffnung machen da die guten Erfahrungen in Norwegen, die allerdings neben einem guten gesetzlichen Whistleblowerschutz auch dem dort oft herrschenden positiven Vertrauensklima  zuzuschreiben sein dürften. Am Beispiel der Kommune Lillesand in Südnorwegen wird dies deutlich: 2005 wurde in Lillesand eine neue offizielle Informationspolitik eingeführt, die öffentlich Beschäftigte explizit aufforderte, ihre Meinungsfreiheit, Protest und abweichende Positionen öffentlich und in den Medien zu äußern.  Der Grund dafür war, dass die Bürger darüber Bescheid wissen sollten, was in der Verwaltung und der Politik passiert.  Skeptiker befürchteten, dass dies dazu führen würde, dass viele Beschäftigte sich illoyal verhalten würden, dass es zu zahlreichen unkontrollierten Informationsweitergaben an die örtliche Presse kommen würde und anderes mehr. Die zwischenzeitliche wissenschaftliche Auswertung des Beispiels zeigt jedoch etwas ganz anderes: die Beschäftigten genießen die Ausweitung ihrer Rechte und sind dankbar, für das in sie gesetzte Vertrauen, welches ihnen zugleich erlaubte, selbst mehr Vertrauen zu haben kritische Dinge  intern anzusprechen. Die Vorgesetzten, lernten sich stärker darauf einzulassen, interne Bedenken ernst zu nehmen und einen anderen Führungsstil zu pflegen und so entstand mit der Zeit eine immer offenere und auch bürgernähere Verwaltung während der befürchtete Zuwachs an medialen Schlammschlachten ausblieb.

Im Schlusswort lädt der Herausgeber David B. Lewis übrigens noch alle Wissenschaftler, die an Forschung rund um das Thema Whistleblowing interessiert sind, dazu ein, ihn zu kontaktieren und sich an einem Forschernetzwerk zu beteiligen, welches derzeit für 2011 bereits eine Nachfolgekonferenz in London plant.

Lewis, David (Hg.): A Global Approach to Public Interest Disclosure — What can we learn from existing whistleblowing legislation and research?; ISBN: 978-1-84844-899-5; 2010

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