Buchbesprechung: Whistleblower in der Steuerfahndung

In schöner Tradition geben Dieter Deiseroth und Annegret Falter nun auch anlässlich des Whistleblower-Preises 2009 ein Buch heraus, in dem die Preisträger und ihr Fall vorgestellt und dokumentiert werden. Diesmal sind es die hessischen Ex-Steuerfahnder Rudolf Schmenger und Frank Wehrheim, die auch in Anerkennung der Verdienste anderer Steuerfahnder mit Zivilcourage, den Preis von ILANA und VDW erhalten haben.

Obwohl es schwer ist bei der Affäre um die hessischen Steuerfahnder, von denen vier nach ihrem Whistleblowing mit falschen ärztlichen Gutachten als „paranoid-querulatorisch“ zwangspensioniert wurden, angesichts ständig neuer Entwicklungen und Enthüllungen vor allem der Frankfurter Rundschau, auf dem Laufenden zu bleiben, bildet dieses Buch eine wertvolle Ressource für all jene, die sich noch einmal die Ursprünge und Hintergründe der Affäre vor Augen führen wollen. Neben der Dokumentation der Preisverleihung aus dem Mai 2009 und der dortigen Reden u.a. von Stephan Albrecht, Johannes Ludwig, Otto Jäckel und der Preisträger selbst, enthält es eine Einleitung mit Ausblick von Annegret Falter. Abgerundet wird das Ganze durch das juristische Gutachten ‚“Zwangspensionierung“ als Disziplinierungsmittel‘ des Richters am Bundesverwaltungsgericht Dieter Deiseroth und die Wiedergabe zahlreicher Originaldokumente rund um den Fall.

Besonders empfohlen sei an dieser Stelle der Beitrag von Annegret Falter in welchem sie  hinsichtlich des Falschgutachtens des mittlerweile rechtskräftig verurteilten Psychiaters Dr. H.  der Fragestellung „cui bono“ – wem nutzt es – nachgeht. Ihre erste Hypothese, jene eines Gefälligkeitsgutachtens ganz im Sinne der hessischen Finanzverwaltung und ihres Ministers Weimar, untermauert Falter durch deutliche Zahlen. Während bundesweit bei Bankenfällen das Minimum an Steuermehreinnahmen dank Steuerfahndung bei ca. 50.000 EUR pro Fall dürfte, waren es in Hessen in 192 Fällen die aus einer Durchsuchung bei einer Frankfurter Großbank resultierten gerade einmal durchschnittlich 208,20 EUR, wobei die Großbanken in Frankfurt ja nicht gerade für Ihre Fokussierung auf Kleinsparer bekannt sind. Auch Parallelen zum Fall Flick macht Falter deutlich, und sieht mehrere plausible Gründe „angefangen mit dem Schutz bestimmter Personen und Parteien, bis hin zur Förderung einer ‚Standortpolitik‘ zugunsten des Finanzplatzes Frankfurt am Main, die Finanzminister Weimar natürlich bis heute weit von sich weist.

Aber auch einer zweiten Hypothese, jener von strukturellen Defiziten in der Verwaltungspraxis in Hessen, geht Falter nach. Hierbei kann sie sich vor allem auf das schon erwähnte Gutachten von Deiseroth stützen. Demnach hätte das hessische Finanzministerium aufgrund einschlägiger Rechtsnormen bereits generell, aber auch gerade in den speziellen Fällen der Steuerfahnder, angesichts der Notwendigkeit den „bösen Schein“ der Kaltstellung von Kritikern zu vermeiden, eine sorgfältige eigene Überprüfung der Gutachten von Dr. H. vornehmen müssen. Angesichts der eklatanten Fehler jener Gutachten, die z.B. weitgehend wortgleich waren und nicht einmal eine Einstufung des angeblichen Krankheitsbildes in die anerkannten Klassifikationssysteme (ICD-10 oder DSM-IV) enthielten, hätte aber schon eine kursorische Prüfung zur Unbeachtlichkeit jener Gutachten führen müssen. Angesichts von Behauptungen des Finanzministeriums „wie in jedem anderen Fall verfahren zu sein“ und des Hessischen Gesundheitsministeriums „ergab sich für eine kritische Hinterfragung hinsichtlich der Qualität der Gutachten kein Anlass“, allesamt nach dem Urteil gegen Dr. H getätigt, kommt Falter zu dem Schluß:  „Da kann einem nur angst und bange werden. Man fragt sich, wer oder was einen Beamten vor (korrupten) Gutachtern und einer willkürlichen Verwaltungspraxis noch schützt“.

Da das hessische Parlament mit in seinem ersten Untersuchungsausschuss diesbezüglich ebenfalls eklatant versagt hat, ist diese Frage heute vor allem eine, die sich an den neuen Untersuchungsausschuss richtet. Sollte auch dort Regierungs- und diesmal auch Koalitionsdisziplin wieder über die Wahrheit siegen, wäre letztlich aber der Souverän gefragt, wie lange er sich das Theater noch bieten lassen will.

Deiseroth, Dieter; Falter, Annegret (Hg.): Whistleblower in der Steuerfahndung — Preisverleihung 2009 – Rudolf Schmenger – Frank Wehrheim; ISBN: 978-3-8305-1756-6; 2010. [buch.de]

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