„Emmely“ das BAG und die Whistleblower

Mit Beschluss vom 28.7.2009 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Berliner Kassiererin, die wegen eines Pfandbons im Wert von 1,30 EUR entlassen und unter dem Namen „Emmely“ bekannt geworden war, die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, welche die Kündigung von E. als rechtmäßig angesehen hatte, zugelassen. Zwar will das BAG den Fall nicht nutzen, um seine fragwürdige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Verdachtskündigungen auch bei Unverhältnimäßígkeit  zu hinterfragen, es geht insoweit davon aus das LAG habe die Richtigkeit des Vorwurfs für erwiesen erachtet, immerhin soll nun aber im Revisionsverfahren höchstrichterlich geklärt werden, „ob der für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebliche Beurteilungszeitpunkt (= Zugang der Kündigung) es zulässt, späteres Prozessverhalten in die Interessenabwägung einzubeziehen und als mitentscheidend anzusehen“.

Ähnlich wie das Instrument der Verdachtskündigung, das es Arbeitgebern leicht macht sich von unliebsamen Mitarbeitern zu trennen, schon so manchem Whistleblower zum Verhängnis geworden sein dürfte, ist auch die Frage der – natürlich negativen – Berücksichtigung von Prozessverhalten des Arbeitnehmers in Whistleblowerfällen von entscheidender Bedeutung. Auch diese neigen nämlich  (pathologisch?) dazu, unbequeme Wahrheiten nicht einfach zu vergessen, nur weil gewisse Instanzen etwas anderes behaupten, sondern sprechen diese auch im Prozess offen aus. Auch sie kann daher schnell jenes Verdikt treffen, welches das LAG im Fall E. äußerte: „im Rahmen der arbeitgeberseitigen Aufklärung den Sachverhalt beharrlich geleugnet, den Verdacht haltlos auf andere Mitarbeiter abzuwälzen versucht hat und sich im Prozess entgegen § 138 ZPO zu maßgeblichem Sachvortrag wahrheitswidrig eingelassen hat.“ Wobei  die Wahrheit hier natürlich jene ist die das Gericht aufgrund der „arbeitgeberseitigen Aufklärung“ als Wahrheit annimmt. Während wir in letzter Zeit so einiges über die Aufklärungsmechanismen erfahren durften, deren sich Arbeitgeber gerne bedienen, verfügen Whistleblower leider kaum über eigene Aufklärungsmechanismen. Behörden und Justiz nehmen ihre eigentlichen Aufgabe der eigenen unabhängigen Sachverhaltsaufklärung oft nicht wahr und verweisen stattdessen lieber auf das Material, welches die Arbeitgeberseite, manchmal auch unterstützt durch andere (abhängig!) Beschäftigte, bereitwillig liefert. Und schwupps, wird dann eine Kündigung die ursprünglich nicht zu rechtfertigen war (sonst bräuchte man ja nicht auf späteres Verhalten abzustellen) doch rechtmäßig.

Es bleibt zu hoffen, dass das BAG die, allerdings frühestens im nächsten Jahr zu erwartende, Revisionsentscheidung im Falle E. nutzt, um dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben.

Was die Frage der unverhältnismäßigen Verdachtskündigung angeht, sei an dieser Stelle noch auf andere krasse Fälle, den geplanten Aktionstag und die Petition „für eine Bagatellgrenze bei Kündigungen“ hingewiesen. Letztere kann auf der Aktionsseite unterstützt werden, obwohl der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ihre Behandlung als öffentliche E-Petition mit fragwürdiger Begründung abgelehnt hat.

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