Anti-Korruptionstag

Zum weltweiten Antikorruptionstag am 9. Dezember hat das Internationale Büro von Transparency International das Global Corruption Barometer 2006 vorgestellt.

Zugleich gerät die deutsche Sektion von Transparency International angesichts der engen Beziehungen zum kooperativen (seit 2004 suspendierten) Mitglied Siemens immer mehr in die Schlusslinie:

– So sagt z.B. Hans Joachim Selenz über TI-Deutschland:

„Korporative Mitglieder sind so schillernde Unternehmen wie Allianz, Daimler-Chrysler, PricewaterhouseCoopers und Siemens. TI ist gleichsam deren bezahltes Anti-Korruptions-Feigenblatt. … Derweil kann man Transparency International nur raten, den deutschen Zweig, TI-D, aus der Organisation zumindest solange zu entfernen, bis TI-D sich wieder konform der Statuten bewegt. In der Zwischenzeit schlage ich vor, Transparency International Deutschland in InTransparency National Deutschland (IN-D) umzutaufen. Damit wäre zumindest die Intransparenz transparent.“

– Aber selbst innerhalb von TI-Deutschland werden die Stimmen lauter Siemens endgültig auszuschließen. Nach einem Bericht bei Heise Online hat TI-D Siemens eine Erklärungsfrist bis Mitte Dezember gesetzt. Man darf gespannt sein, was dann passiert.

– Insgesamt scheint TI-D die aktuellen Korruptionsaffairen jedoch keineswegs als Zeichen für eine Zunahme von Korruption zu werten. Aussagen des TI-D Vorsitzenden Elshorst anlässlich einer Tagung in Berlin und des Vorstandsmitgliedes Martiny betonen demgegenüber vor allem eine höhere Aufklärungsquote:

„Gibt es heute mehr Korruption als vor zehn oder zwanzig Jahren? Vermutlich nicht, aber genau sagen kann das keiner. In jedem Fall wird mehr aufgedeckt, und die Strafverfolgung wird effektiver. Jedoch ist das Risiko, entdeckt zu werden, immer noch viel zu klein. Außerdem sind die beiden Korruptionstäter, der Anbieter und der Nachfrager nach Geld und geldwerten Vorteilen, allemal schneller und phantasievoller als ihre Verfolger. Deshalb muss sich das Risiko, erwischt zu werden, erheblich vergrößern. Das gelingt nur, wenn sich das allgemeine Bewusstsein weiter verändert: Korruption schädigt das Gemeinwohl, weil Geld in die falschen Taschen fließt und weil die Menschen den Glauben daran verlieren, dass es gerecht zugeht in ihrer Welt. Außerdem behindert Korruption die Innovationskraft der Wirtschaft und untergräbt das Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit einer freiheitlichen Demokratie. Deshalb ist jede Bürgerin und jeder Bürger aufgerufen, sich aktiv gegen Korruption zu stellen, wenn sie ihm begegnet.“

Martiny kritisiert aber auch Mängel der Deutschen Anti-Korruptionspolitik:

Auch erwies sich die Bundesregierung als nicht sehr lernfähig, als von der OECD erhebliche Mängel bei der Bekämpfung der Korruption in Deutschland festgestellt wurden. Wir haben zum Beispiel immer noch kein Unternehmensstrafrecht und kein Schutzprogramm für Hinweisgeber, und Firmen dürfen deutsche Abgeordnete bestechen, italienische oder australische aber nicht.

Auch TI-D fordert also ein staatliches Schutzprogramm für Hinweisgeber, ein Whistleblowerschutzgesetz.

– Mit dem Thema setzt sich auch eine Presseerklärung der Business-Keeper-AG auseinander und bemängelt die mangelnde Bereitschaft zu Transparenz und international effektiver Umsetzung. Demnach

müssen die Mitarbeiter vor Ort die Möglichkeit haben, bei Bedarf die zuständige Stelle in der Konzernzentrale zu erreichen – unabhängig von Sprachbarrieren und Zeitzonen bei Telefonhotlines. Und nicht jeder Mitarbeiter traut sich, mit seinen Beobachtungen persönlich bei einem Ombudsmann oder Compliance Officer vorzusprechen; viel zu groß ist die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder vor Repressalien durch Kollegen und Vorgesetzte. Vielleicht ist sogar der direkte Vorgesetzte in den Vorfall involviert? Eine innovative Technologie aus Brandenburg wurde von einigen der Unternehmen, die jetzt in den Schlagzeilen sind, als „zu transparent“ bewertet.

– Selbst der BDI geht mittlerweile auf Distanz zu Siemens, so sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, dem „Tagesspiegel am Sonntag“ u.a.:

„Die neuen Fälle zeigen, dass offensichtlich nicht alle Prüfer oder Aufsichtsräte konsequent genug nachhaken beziehungsweise auch Ombudsmänner nicht vertrauenswürdig genug waren.

und Steuerberater Michael Bormann von der Wirtschaftsprüfungssozietät bdp Bormann, Demant & Partner ergänzt ebendort:

„Die Wirtschaftsprüfer haben versagt“ „Sie hätten den Liquiditätsfluss und den Falschausweis des Jahresüberschusses finden müssen.“ Durch den Einsatz moderner Software „ist es kein Problem mehr, solche Unregelmäßigkeiten zu finden“. Das Problem sei jedoch, dass es ein Einverständnis zwischen Unternehmen und Wirtschaftsprüfer gebe, „dass nach solchen Dingen nicht gezielt gesucht wird“.

Schließlich gibt es dann noch Meldungen darüber dass bei Siemens Anfang 2006 das Ansinnen des Landgerichtes Liechtenstein abgelehnt hat, ein Mitglied des Aufsichtsrates als Zeugen in einem Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und Bestechung zu vernehmen und an anderer Stelle einen Bericht in dem es von einem Siemens-Aufsichtsrat heißt:

Wer dort kritische Fragen stelle, werde als „Nestbeschmutzer“ verunglimpft. „Da wird ein Korpsgeist gezüchtet nach dem Motto – wir gegen die da draußen“, sagte der Kontrolleur, der nicht namentlich genannt sein will, der Zeitung.

Wenn aber Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer versagen, und Siemens ist hier ja kein Einzelfall, ist es dann nicht Aufgabe des Staates frühzeitig einzuschreiten? Gilt es nicht ihm genau dieses zu ermöglichen und daher Whistleblowern (bei gleichzeitigem effektiven Schutz vor Sanktionen und unter Wahrung ihrer Anonymität) das Recht einzuräumen sich frühzeitig an die Staatsanwaltschaft zu wenden ohne zunächst auf unwirksame und für sie gefährliche betriebsinterne Systeme verwiesen zu werden?

Eine Möglichkeit hierzu bietet schon jetzt das LKA Niedersachsen das mit dem BKMS-System ausgerüstet ist und auch Meldungen zu anderen Bundesländern (die derartige Möglichkeiten noch nicht selbst anbieten) annimmt. Hier wird zwar die technische Annonymität des Mitteilungsaktes gesichert, dennoch sollte der Whistleblower aber auch dann noch selbst sämtliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen um sich nicht anderer Stelle, z.B. durch sein Verhalten im Betrieb oder durch die Inhalte der Meldung selbst zu enttarnen. Von offenem Whistleblowing kann in Deutschland mangels effektiven Schutzes derzeit nur abgeraten werden.

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