Brüssel vor der Gretchenfrage: Sind nur Unternehmens-Interna oder auch Whistleblower schutzbedürftig?

Auf diese Frage muss der Europäische Rat jetzt schnell seine Antwort geben. Die Mitgliedsstaaten müssen sich auf einheitliche Mindeststandards zum Whistleblowerschutz verständigen, um in den Trilog mit Kommission und dem Europäischem Parlament (EP) eintreten zu können. Ein gemeinsamer Entwurf der geplanten „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ sollte dem Parlament im Februar vorliegen, damit ein harmonisierter Whistleblowerschutz rechtzeitig vor den Europawahlen im Mai vom gegenwärtigen EP noch beschlossen werden kann.

Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk, mahnt angesichts grassierender EU-Verdrossenheit zu einem klaren Signal an die europäischen Bürgerinnen und Bürger:

„Es grenzte an eine demokratische Bankrotterklärung der nationalen Regierungs-Parteien, wenn sie der Zivilgesellschaft im anstehenden Wahlkampf erklären müssten, dass Whistleblower in Europa auch weiterhin unzureichend geschützt sind, während der Schutz von Geschäftsgeheimnissen (RL 2016/943) ausgeweitet wurde. Meinungs- und Informationsfreiheit, Transparenz und Rechenschaftspflicht wären demnach zweitrangig.“

Auch die deutsche Bundesregierung muss nun Farbe bekennen. Ihr Interesse an Whistleblowerschutz geht ausweislich des Koalitionsvertrags gegen null. Wird sie im Rat, wo ihr Votum erheblichen Einfluss hat, wieder einmal als Blockierer auftreten?

In Deutschland herrscht beim Whistleblowerschutz noch immer das traditionell arbeitgeberfreundliche Richterrecht, nur punktuell ergänzt durch sektorale Gesetze. Das bedeutet eine unzumutbare Rechtsunsicherheit für potentielle Whistleblower. Ein horizontales Gesetz muss hier endlich mehr Klarheit schaffen. Die geplante Richtlinie aus Brüssel könnte dazu den Anstoß geben und gleichzeitig drei Mindeststandards normieren:

  1. Umfassende Geltung für den privaten und öffentlich-rechtlichen Sektor
  2. Zuverlässiger Schutz der Whistleblower vor Vergeltungsmaßnahmen aller Art
  3. Beurteilungsfreiheit für die Arbeitnehmer, ob sie einen Missstand zuerst „intern“ anzeigen oder sich „extern“ an Strafverfolgungs- oder Aufsichtsbehörden wenden.

Whistleblower-Netzwerk fordert die Bundesregierung auf, im Council und in den Trilog-Verhandlungen auf die rasche Verabschiedung einer Richtlinie zum Whistleblower-Schutz hinzuwirken, die dem Demokratie-Versprechen Europas gerecht wird.

Für Rückfragen:

Annegret Falter

falter@whistleblower-net.de

+49 170 2965660

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