Whistleblowing bei Bayer

Ein Bericht von der Hauptversammlung der Bayer AG
am 12.5.2009 in den Messehallen Düsseldorf

1. Rede des Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., Guido Strack

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Guido Strack. Ich bin Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Whistleblower-Netzwerk e.V. aus Köln der sich für Whistleblower, also für Menschen einsetzt, die auf Missstände in ihren Unternehmen hinweisen, damit diese frühzeitig abgestellt werden können. Leider ernten Whistleblower heut zu tage statt Lob und Anerkennung in vielen Betrieben immer noch Mobbing, und ihnen droht der Jobverlust.

Bevor ich dem Vorstand ein paar Fragen zum Thema Whistleblowing stelle, möchte ich mich zunächst mit einigen Fragen an Sie, liebe Mit-Aktionärinnen und Mit-Aktionäre wenden:

Glauben Sie eigentlich, dass sich unsere Firma an Recht und Gesetz hält, überall, in Deutschland in Europa und in der Welt?

Glauben Sie, dass der Vorstand uns darüber aufklären würde wenn dies – und sei es auch nur irgendwo in einer Ecke des großen Bayer-Imperiums – nicht der Fall wäre?

Glauben Sie dass der Aufsichtsrat dies auch dann feststellen würde, wenn der Vorstand ihm derartige Informationen vorenthalten würde?

Und, glauben Sie, dass uns hier und heute reiner Wein auch dann eingeschenkt wird, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen die Herren auf dem Podium erheblich belasten würde – sei es einzelne, sei es mehrere?

Nur zu gerne würde ich alle diese Fragen aus vollem Herzen bejahen und mit der Vorlage von Informationsmaterial aller Art, inklusive schöner Worte in der Corporate Compliance Policy tut der Vorstand einiges, dafür insoweit Vertrauen zu schaffen.

Aber was würde wohl geschehen, wenn hier und heute im Backoffice ein Mitarbeiter aufbegehrt und gegenüber seinen Vorgesetzten feststellt, dass eine Antwort auf eine der bereits gestellten Fragen geschönt oder gar bewusst falsch abgegeben werden soll oder wurde. An wen könnte er sich dann wenden? Ließe man es zu, dass er hier ans Rednerpult tritt und uns alle über seine Sicht der Dinge informiert? Ich jedenfalls würde mir dies wünschen.

Ich sprach eben von Vertrauen, aber ist dieses Vertrauen wirklich angebracht angesichts der diesbezüglichen Bilanz von Bayer?

Ist nicht vielmehr davon auszugehen, dass sich jener Mitarbeiter im Backoffice, wenn er tatsächlich den Versuch unternehmen würde, um uns als Eigentümer darüber zu informieren, was im Unternehmen wirklich passiert, sich schon morgen nach einem neuen Job umsehen müsste? Davon, dass diese unausgesprochene Wahrheit allen Mitarbeitern bekannt ist, und dass die meisten genau deshalb schweigen.

Bayer hat eine lange unrühmliche Tradition im Hinblick auf Gesetzesverstöße, Missstände und die Gefährdung von Kundeninteressen, und im Hinblick auf einen schlechten Umgang mit Whistleblowern.

Mit Alfredo Pequito tritt hier heute ein solcher Whistleblower auf und berichtet uns allen über einen Teil jener Wirklichkeiten, die uns der Vorstand auch diesmal wahrscheinlich wieder verschweigen wird. Wirklichkeiten, von denen wir nur dank Whistleblowern und auch dank ihrer Unterstützung durch die Coordination gegen Bayer-Gefahren überhaupt wissen.

Erinnern möchte ich hier auch an den Bayer-Mitarbeiter George Couto. Er deckte auf, dass Bayer die US-Regierung betrog, indem der staatlichen Gesundheitsversorgung zustehende Rabatte nicht gewährt wurden. 2003 musste Bayer schließlich aufgrund eines in den USA und in Deutschland leider nicht bestehenden Whistleblowerschutz-Gesetzes – des false claims acts – 255,6 Millionen Dollar, die bis dahin höchste je verhängte Strafsumme einem Betrugsverfahren zahlen.

Dabei hätte Bayer damals eigentlich schon gewarnt sein können, denn bereits zwei Jahre zuvor zahlte man 14,1 Millionen Dollar in einem anderen Betrugsfall zu Lasten der US-Gesundheitsvorsorge, der ebenfalls durch einen Whistleblower ans Tageslicht gekommen war.

Ich möchte gerne herausfinden, was der Vorstand aus diesen und anderen Fällen gelernt hat, und was in unserem Unternehmen heute anders laufen würde, wie heute sichergestellt ist, dass Whistleblower heutzutage frühzeitig auf Missstände, Gefahren und Risiken auch für unsere Aktionärsinteressen hinweisen, und wie mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen, sowohl zu einzelnen Fällen, die durch die Medien gegangen sind, als auch genereller Art:

Ist der Whistleblower bekannt, der auf die von Bayer zunächst nicht veröffentlichten Daten zur Gefährlichkeit von Trasylol hinwies? Was ist mit ihm geschehen bzw. was würde geschehen, wenn sein Name bekannt würde?

Unterhält Bayer noch vertragliche Beziehungen zu Alexander Walker einem Professor in Harvard, der an der Trasylol-Studie beteiligt war oder ist dieser mittlerweile eine „persona non grata“ in unserem Konzern?

Wie ging Bayer mit der ehemaligen Marketing-Expertin Susan Blankett um, die zunächst intern immer wieder erfolglos versuchte, auf die Gefahren von LIPOBAY hinzuweisen, bis sie schließlich einen Prozess gegen unser Unternehmen anstrengte? Wie ist diesbezüglich der aktuelle Sachstand? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um zu verhindern, dass derartiges wieder passieren kann?

Der Herr von Greenpeace hat eben über das Image unseres Unternehmens gesprochen. Am 19.4.2009, also vor weniger als einem Monat, fand sich in einem der best besuchten deutschen Politik-Blogs unter der Überschrift „Bayer Mord wegen des Profits!“ ein Link zum Film „Tödlicher Ausverkauf“ von Egmond R. Koch, in welchem behauptet wurde, dass die US-Tochter Cutter auch dann noch ungereinigte Blutkonserven an Bluter in Asien und in Entwicklungsländern aus Lagerbeständen abverkaufte, als ihr die damit verbundenen Gefahren bereits bekannt waren. Trifft dies zu?

Wie viele Menschen sind hierdurch mit AIDS infiziert worden bzw. zu Tode gekommen? Sind diesbezüglich noch Rechtsstreite anhängig? Um welche Beträge geht es dabei? Was wurde aus dem chinesischen Hongkong Vertriebsmann von Cutter, einem Herrn Raymond Ho, der sich als Whistleblower frühzeitig intern über diese Vertriebspraxis beschwerte? Ist er noch bei Cutter bzw. Bayer beschäftigt und wenn nein, warum nicht mehr? Gab es in diesem Fall andere Whistleblower, und was geschah mit Ihnen? Was wurde aus Willi Ewald, der in anderen Fällen zeitgleich vor der Verwendung des Produkts warnte, den Verkauf an Entwicklungsländer und Asien aber wohl nicht stoppte. John H. Hink, ein ehemaliger Cutter-Manager, sagt in diesem Film sinngemäß: „Statt die Produkte wegzuschmeißen, wurde entschieden diese in anderen Ländern zu verkaufen, wodurch Menschen zu Schaden kamen. Ich habe Fehler gemacht und bin froh, jetzt darüber reden zu können.“ Wäre Bayer bereit, diesen und andere Ex-Manager, die Fehler bereuen, heute für Compliance Schulungen anzuwerben und einzusetzen, um Mitarbeitern drastisch und anschaulich zu vermitteln, wie man es nicht und wie man es besser machen sollte?

Wie viel Geld hat Bayer in den letzten 10 Jahren im Rahmen von Fällen, die nach US-Bundes-oder Staaten-„false claims acts“ anhängig gemacht wurden, gezahlt? Sei es im Vergleichswege oder nach Verurteilungen und welche weiteren Kosten, z.B. für Rechtsanwälte, sind dem Unternehmen dadurch insgesamt entstanden?

Können Sie uns bitte nähere Information über den Stand des im Berichtszeitraum, nämlich am 24.4.2008 in Newark New Jersey geöffneten „false claims“ Verfahrens gegen Bayer geben, bei dem ein Whistleblower dem Unternehmen und seinen Töchtern vorwirft, über einen Zeitraum von drei Jahren vor der Rücknahme von BAYCOL vom Markt illegale und betrügerische Marketing-Praktiken inklusive Schmiergeldzahlungen – Sie erinnern sich ja noch an das was ich eben zum false claims act gesagt habe – angewandt zu haben? Welche Strafzahlung könnte hier auf das Unternehmen schlimmstenfalls zukommen, wenn dieser Klage stattgegeben werden würde? Wie vielen anderen „false claims act“-Verfahren sind derzeit in den USA auf Bundes oder Staatenebene anhängig? Worum geht es dabei jeweils, und wie hoch wären in jenen Verfahren die jeweils maximal zu befürchtenden Schadensersatzzahlungen? Dazu muss man wissen, dass Bayer seit zwei Jahren nicht mehr in Amerika gelistet ist, also auch nicht mehr den SEC-Regeln unterliegt und es den 20-F Bericht nicht mehr gibt, in dem solche Informationen früher auch aufgeführt hätten werden müssen. Also haben wir nicht unbedingt ein Mehr an Transparenz in den letzten Jahren.

Abschließend noch ein paar generellere Fragen:

Teilen Sie die Einschätzung einer globalen Umfrage von Price Waterhouse aus dem letzten Jahr, der zu Folge Whistleblower-Vorbringen in mehr Fällen für die Feststellung von internen Betrugsfällen verantwortlich war, als Audits, Interne Compliance und behördliche Kontrolle zusammen?

Gab es in den letzten drei Jahren Kündigungen von Bayer-Mitarbeitern oder von Mitarbeitern von Tochterunternehmen, an denen Bayer mehrheitlich beteiligt ist, wegen des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder wegen Loyalitätspflichtverletzungen, in denen sich jene Mitarbeiter zuvor oder danach mit Hinweisen auf Missstände oder mit Vorwürfen in Bezug auf Gesetzesverstöße an Behörden oder an die Öffentlichkeit gewandt hatten? Wenn ja, wie viele und welche Vorwürfe wurden dem Unternehmen dabei gemacht?

Wie würde ein Bayer-Mitarbeiter behandelt, der sich an die Öffentlichkeit wendet, und Beweise vorlegen könnte, dass Bayer z.B. für das derzeit an vielen Stellen zu beobachtende Massenbienensterben mit-verantwortlich ist?

Im Bayer Compliance Programm heißt es „Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen dieses Compliance-Programms unverzüglich mitzuteilen.“ Wie viele solche Meldungen gab es 2008? Was waren die Folgen? Ist jemals einem Mitarbeiter die Nichterfüllung der Mitteilungspflicht vorgeworfen worden? Ist jemals ein Mitarbeiter hierfür sanktioniert worden? Oder steht dies alles nur auf dem Papier und abgestraft werden diejenigen, die unbequeme Meldungen machen?

Hat Bayer irgendwelche früheren Whistleblower rehabilitiert bzw. ihnen die Wiedereinstellung z.B. als Berater in Compliance-Angelegenheiten angeboten, oder wäre der Vorstand hierzu als glaubwürdigen Einstieg in eine Neuorientierung bereit?

Wenn der Vorstand an Veränderungen und Vertrauen schaffender Transparenz hinsichtlich seiner Whistleblower-Politik interessiert ist, warum dann wurde die Umfrage mit welcher das Whistleblower-Netzwerk und der Dachverband kritischer Aktionäre sich bereits Ende letzten Jahres an Sie gewandt hatten, bisher von Ihnen, anders als von vielen anderen DAX-Unternehmen, überhaupt nicht beantwortet?

Sind Sie bereit, über Verbesserungen Ihrer derzeitigen Whistleblower-Policy nachzudenken und hierzu mit unserem Verein oder mit anderen anerkannten Experten mit dem Ziel einer best-practice zusammen zu arbeiten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit


2. Fragen von Antje Kleine-Wiskott zum Thema Whistleblowing

Unmittelbar im Anschluss, stellte Antje Kleine-Wiskott vom Dachverband kritischer Aktionärinnen und Aktionäre in ihrer Rede noch folgende Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Whistleblowing:

Gibt es in unserem Unternehmen spezielle Regelungen für Whistleblowing bzw. zum Whistleblowerschutz? In wieweit genügt deren Ausgestaltung international anerkannter „Best Practice“ wie sie sich z.B. im Code of practice „Whistleblowing arrangements“ (PAS 1998:2008) der British Standards Institution widerspiegelt?

Wie ist sichergestellt, dass Hinweisen von Whistleblowern auf Risiken, Missstände und Gesetzesverstöße aller Art in unserem Unternehmen auch dann umfassend und bis zur Abhilfe nachgegangen wird, wenn es dabei um den Schutz von langfristigen Aktionärsinteressen oder öffentlichen Interessen geht, und hierbei ein Interessenskonflikt mit den kurzfristigen Interessen der aktuellen Unternehmensleitung besteht?

Erläutern Sie bitte die gegenwärtige Informationspolitik unseres Unternehmens bezüglich tatsächlich vorkommender Fälle von Whistleblowing.

Wir begreifen Whistleblowing als ein wichtiges Element der Risikovorsorge und Compliance. Ist in unserem Unternehmen die Informationspolitik intern und extern ausreichend, um bei potenziellen Whistleblowern und auch bei Aktionären, die diese Anschauung teilen, eine tragfähige Vertrauensbasis herzustellen?

Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht: „Alle Bayer-Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen der Compliance-Policy unverzüglich mitzuteilen. Die Anzeigen können auch anonym erfolgen; dazu sind in allen Ländern spezielle Hotlines eingerichtet, die ganz überwiegend zu von uns beauftragten spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien führen.“ Was heißt an dieser Stelle „ganz überwiegend“ ganz genau? Wer sind diese Anwälte? In welcher Beziehung stehen sie ansonsten zum Unternehmen? Was genau sind ihre Aufgaben? Gehören dazu auch unternehmensberatende Tätigkeiten oder gar Ermittlungen gegen Whistleblower, wie sie derzeit über Bahn-Ombudsleute berichtet werden? Könnten Sie sich vor diesem Hintergrund eine Einbeziehung wirklich Unabhängiger vorstellen?

3. Beantwortung der Fragen von Guido Strack durch den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG Werner Wenning:

Unser Bestreben ist es unsere Aktionäre offen und umfassend über alle wesentlichen Entwicklungen in unserem Haus zu informieren. Nichts anderes gilt für de unternehmensinterne Diskussion. Ein offener, ehrlicher und direkter Dialog gehört zu unserer Unternehmenskultur und zu unseren Werten.

Herr Strack, sie haben ferner eine Reihe von hypothetischen Fragen zu unserem Backoffice gestellt. Diese Konstruktionen gehen jedoch an den realen Gegebenheiten vorbei. Sie werden verstehen, dass ich auf hypothetische Fragen auch keine faktischen Antworten geben kann.

Wenn wir uns an den realen Gegebenheiten orientieren, dann lassen sie mich an dieser Stelle unmissverständlich sagen: gesetzmäßiges und verantwortungsbewusstes Handeln ist für jeden Mitarbeiter verbindlich. Verstöße gegen Gesetze werden von uns nicht geduldet. Unser umfassendes Compliance-Programm beinhaltet u. a. ein striktes Verbot von Korruption und wettbewerbswidrigem Verhalten, die Schaffung fairer und respektvoller Arbeitsbedingungen und ein klares Bekenntnis zum Schutz geistigen Eigentums.

Dies ist für uns ein Kernthema. Unseren Mitarbeitern wurde deshalb dieses Programm, fast überall verbunden mit persönlichen Gesprächen, als Broschüre ausgehändigt. Parallel dazu starteten wir eine Kommunikationskampagne, die das Bewusstsein für Compliance weiter schärft. Unter dem Titel Compliance W.I.N.S. werden weltweit u. a. Plakate an den Standorten ausgehängt, Präsentationsmaterial für Teambesprechungen und Mitarbeiterversammlungen bereit gestellt und Artikel in den internen Publikationen veröffentlicht. Informationen zu Compliance sind zudem über das Intranet für Mitarbeiter zugänglich, ebenso wie die Kontaktdaten aller Compliance-Officers und die Telefonnummern der lokalen Compliance-Hotlines, die inzwischen in 66 Ländern, in denen Bayer-Gesellschaften ansässig sind, bereitgestellt werden. Um Regelverstöße aufdecken zu können, unterliegen Bayer Mitarbeiter einer Meldepflicht für mutmaßliche Compliance-Verstöße. Gemeldete Vorfälle werden untersucht. Bei Bedarf ergreifen wir Maßnahmen. Dies beantwortet auch ihre Frage, Herr Strack, wie Mitarbeiter im Backoffice eventuelle Compliance Fälle melden können und wie bei uns mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Sie sprechen auch Compliance Verstöße in den USA und daraus resultierende Strafzahlungen an. Diese Sachverhalte liegen zum Teil weit zurück in der Vergangenheit. Wir haben in den vergangenen Jahren unser Compliance Programm und auch unsere Compliance Organisation erheblich ausgebaut und weiter verschärft. Wir sind deshalb davon überzeugt, dass Compliance bei Bayer heute ein fester Bestandteil unserer Geschäftsprozesse ist.

Herr Strack, sie haben eine im Zusammenhang mit Trayslol beauftragte Studie erwähnt. Deren vorläufige Daten von Bayer erst kurz nach der Sitzung eines Advisory Committees der amerikanischen FDA im Herbst 2006 eingereicht wurden. Ihre Unterstellung, dass es einen Whistleblower gab, der diese Daten öffentlich machte, ist unzutreffend. Bayer selbst hat die Daten der FDA bekannt gemacht. Sie sprachen außerdem Herrn Professor Alex Walker an. Er hat diese Studie für uns im Jahre 2007 fortgeführt und beendet.

Sie sprachen eine Klage an, die von einer ehemaligen Bayer Mitarbeiterin im vergangenen Jahr in den USA im Zusammenhang mit Baycol gegen Bayer erhoben wurde. Die in dieser Klage erhobenen Vorwürfe waren zum allergrößten Teil bereits Gegenstand der zahlreichen Klagen, die zum Marktrückzug von Baycol/Lipobay in den USA erhoben worden sind. Wir weisen diese Vorwürfe entschieden zurück. Bayer hat in den USA bisher alle sechs Prozesse gewonnen. Die von der ehemaligen Bayer Mitarbeiterin eingereichte neue Klage ist nun zuständigkeitshalber an das Bundesgericht in Minnesota verwiesen worden, welches auch in den anderen bundesgerichtlichen Baycol-Verfahren für die prozessuale Koordinierung zuständig ist.

Herr Strack, sie haben sich ausführlich nach dem Stand von false claims act Verfahren in den USA erkundigt. Derzeit sind uns keine Klagen bekannt, in denen von Behörden Verletzungen des false claims act durch uns behauptet wurden.

Sie haben, Herr Strack, eine Reihe von Fragen zu den HIV verunreinigten Blutprodukten und im Zusammenhang der damit anhängigen Rechtsstreitigkeiten gestellt. Im Zusammenhang mit Bluterpräparaten, die während der 80iger Jahre hergestellt wurden, betont Bayer nochmals, dass alle mit der Herstellung und Vermarktung biologischer Produkte befassten Unternehmen größtes Mitgefühl empfinden wegen der Folgen von HIV und AIDS für die Blutererkrankten. Die Tragik, ist der Umstand dass das Virus gerade durch die Therapien übertragen wurde, die das Leben von Bluterpatienten entscheidend verbessern können. Dies geschah zu einem Zeitpunkt als man nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass das Virus in die Blutprodukte gelangt war. Bayer bestreitet Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte. Grundlage für die Entscheidungen von Cutter Laboratories waren die seinerzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der damalige Stand der Technik. Man kann diese Entscheidungen nicht mit dem Wissen und den technischen Möglichkeiten beurteilen, die erst Jahre später verfügbar wurden. Gegen Bayer sind in den USA und in anderen Ländern zahlreiche Klagen anhängig die sich auf Schadensersatz für außerhalb der USA lebende Kläger richten, die durch von Bayer verkaufte Blutplasma-Produkte mit HIV oder Hepatitis-C Virus infiziert worden sein sollen. Die Klagen sind der Höhe nach nicht näher beziffert.

Herr Strack, sie fragten, ob wir bereit sind, mit ihrem Verein zusammen zu arbeiten. Ich habe gerade bereits auf unser umfassendes Compliance Programm hingewiesen. Wir haben dies zusammen mit Experten einer spezialisierten externen Kanzlei erarbeitet. Insofern sehen wir keinen weiteren Handlungsbedarf.

Herr Strack, sie fragten nach unserer Einschätzung einer Studie von Price-Waterhouse-Coopers zu Whistleblower-Fällen. Bitte haben sie Verständnis dafür, dass ich Ergebnisse von allgemeinen Erhebungen anderer Unternehmen weder validieren noch kommentieren kann.

Sie haben nach Zahlungen gefragt, die Bayer in den letzten Jahren wegen angeblicher Verletzungen des false claims acts in den USA geleistet hat. Wir haben in den letzten Jahren ein Verfahren hierzu verglichen ohne eine solche Verletzung einzugestehen. Wir haben in diesem Vergleich 97,5 Mio US-$ an die Behörde gezahlt. Die Anwaltskosten liegen im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Klagen, in denen Behörden Verletzungen des false claims acts durch uns behaupten.

Sie fragten nach Kündigungen von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Meldung von Compliance Verstößen. Auch hierzu enthält unser aktuelles Compliance Programm eine klare Aussage: Kein Mitarbeiter darf auf Grund einer gutgläubigen Anzeigeerstattung auf irgendeine Weise benachteiligt werden. Dementsprechend sind uns auch keine derartigen Fälle bekannt.

Herr Strack, sie fragten nach der Anzahl von Anzeigen unter unserem Compliance Programm im Laufe des Jahres 2008. Die genaue Zahl der weltweiten Fälle liegt uns nicht vor. Die Größenordnung dürfte zwischen 50 und 100 liegen. Ich kann ihnen aber versichern, dass wir sämtlichen Anzeigen nachgehen. Teilweise erwiesen sich diese Meldungen als nicht zutreffend. Da wo zutreffend, hat dies zu arbeitsrechtlichen Schritten bis hin zur Trennung von Mitarbeitern geführt. Sie fragten nach der Wiedereinstellung von Whistleblowern bei Bayer. Dies würde voraussetzen, dass wir uns von Whistleblowern getrennt hätten. Dies ist aber nicht der Fall. Kein Mitarbeiter wird bei uns auf Grund einer gutgläubigen Anzeige von Compliance Verstößen auf irgendeine Weise benachteiligt und schon gar nicht gekündigt.

Herr Strack, sie hatten das Thema Bienensterben und Bayer angesprochen. Herr Strack, selbstverständlich gehen wir Hinweisen die zu einer Verbesserung der Sicherheit unserer Produkte führen können im eigenen Interesse nach. Ich möchte allerdings festhalten: Unsere Produkte sind, bei sachgerechter Anwendung, sicher für den Landwirt, die Umwelt und den Verbraucher. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass es eine Vielzahl von Gründen für die in bestimmten Regionen beobachteten Bienenverluste gibt. Dazu zählen u.a. extreme Umwelteinflüsse und Bienenkrankheiten wie die Varoa-Milbe. Die Bienengesundheit hat für Bayer hohe Priorität. Daher unterstützt das Unternehmen Wissenschaftler und Behörden bei der Aufklärung.


4. Herr Wenning zu den Fragen von Antje Kleine-Wiskott

Zu den Fragen von Antje Kleine-Wiskott aus dem Bereich Whistleblowing führte Herr Wenning anschließend noch sinngemäß aus:

– dass auch anonyme Meldungen an externe Rechtsanwalts-Kanzleien möglich sind,
– dass keinerlei Benachteiligungen von Whistleblowern stattfinden und
– dass er auch keinen Widerspruch zwischen kurz- und langfristigen Interessen sähe; vielmehr sei eine uneingeschränkte Compliance Politik nötig und werde von Bayer auch angewandt.

5. Zweite Wortmeldung von Guido Strack

In einer zweiten Wortmeldung versuchte Guido Strack später noch Antworten auf die zunächst unbeantworteten Fragen zu bekommen und stellte zugleich auch einige Nachfragen zu den Äußerungen von Herrn Wenning.

Sehr geehrter Herr Wenning,

leider haben sie nur einen Teil der von mir und Frau Kleine-Wiskott aufgeworfenen Fragen zum Thema Whistleblowing beantwortet. Außerdem ergeben sich aus ihren Äußerungen auch Nachfragen, weshalb ich mich nunmehr zu acht Punkten nochmals äußern möchte:

Vorab möchte ich aber auch feststellen, dass ich die auf dem Papier bestehende Grundaussage ihrer Compliance-Policy „keinerlei Nachteile für Whistleblower“ ausdrücklich begrüße. Meines Erachtens fehlt aber die Transparenz und hierzu haben sie meine spezifischen Fragen auch nicht ausreichend beantwortet. Transparenz wäre aber nötig um Vertrauen aufzubauen und die Kultur des Schweigens zu überwinden.

Erstens: Sie sprachen von externen Anwaltskanzleien. Wir hatten auch nach Namen gefragt. Können sie diese bitte, wenn schon nicht für die gesamte Welt, dann wenigsten für Deutschland benennen? Wenn sie von externen Kanzleien sprechen, kann ich daraus schließen, dass sie grundsätzlich der Meinung sind, dass es einen unabhängigen Ansprechpartner für Whistleblower geben sollte? Zugleich möchte ich dann aber hinterfragen, wie extern und unabhängig die von ihnen konkret eingeschalteten Kanzleien sind. Habe ich sie richtig verstanden, dass die Kanzleien das Unternehmen beim Aufbau des Systems beraten haben, und dass sie auch in Bereichen jenseits der Compliance mit diesen zusammenarbeiten? Teilen sie meine Einschätzung, dass eine solche Kanzlei dann nicht mehr wirklich unabhängig sein kann? Außerdem hätte ich gerne nähere Informationen darüber, was die Anwaltskanzleien genau machen? Nehmen sie nur die Anzeigen auf oder sind sie auch in die Aufklärung der Sachverhalte eingebunden? Gibt es Rückmeldungen an die Whistleblower, und haben diese Gelegenheit zu Ermittlungsnachfragen und/oder dazu zu Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen?

Außerdem interessiert es mich zu erfahren, welche Rechte die Anwaltskanzlei hat. Erschöpfen sich diese in der Einbindung in einen internen Prozess oder haben die Kanzleien, im Sinne von unabhängigen Organen der Rechtspflege, auch die Möglichkeit Behörden einzuschalten, wenn sie der Auffassung sind, dass Gesetzesverstöße seitens von Bayer oder von Mitarbeitern vorliegen?

Teilen sie meine Auffassung, dass mehr Transparenz mehr Vertrauen schaffen kann? Sind sie bereit die nähere Ausgestaltung ihres Umgangs mit Whistleblower-Hinweisen und zur Rolle der Rechtsanwaltskanzleien sowie die mit jenen geschlossenen Verträge – und hier geht es nicht um finanzielle Regelungen – öffentlich zu machen?

Zweitens: Es wurde gefragt, wie die interne und externe Kommunikationspolitik zu konkreten Whistleblower- bzw. Compliance Meldungen aussieht. Hierzu gab es leider keine Antwort. Ich will daher kurz verdeutlichen, was mit jener Frage gemeint war: Die Lufthansa Technik z.B. veröffentlicht intern in einem Tracing System, also einer Übersicht anonymisiert sämtliche Whistleblower Meldungen, deren jeweils aktuellen Sach- und Bearbeitungsstand, bis hin zu Untersuchungsergebnissen und follow-up. Damit ist gewährleistet, dass ein transparentes Verfahren entsteht und Mitarbeiter begründetes Vertrauen gewinnen und aus Fehlverhalten lernen können. Siemens macht die Zahlen zur Nutzung seiner Whistleblower-Hotlines zumindest in Form von nach Sachgruppen untergliederten statistischen Daten sogar der Öffentlichkeit quartalsmäßig zugänglich. In beiden Fällen und auch in anderen uns bekannten Unternehmen ist die Nutzung der Hotlines außerdem wesentlich größer als die von ihnen genannten groben Zahlen. Sehen sie hier einen Zusammenhang? Können auch sie bitte die von ihnen genannten Fallzahlen weiter aufschlüsseln? Ging es hierbei um Korruption, andere Gesetzesverstöße oder auch um Fragen unzureichender Risikoabschätzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit von Bayer Produkten? Ist der letztere Bereich überhaupt vom Compliance Programm umfasst?

Drittens: Eine andere Frage, zu der sie nicht Stellung genommen haben war jene nach dem Vergleich ihres Compliance Systems mit dem BSI Standard PAS 1998:2008. Dieser Standard enthält am Ende eine Checklist mit konkreten Punkten und ich würde gerne wissen, in wie weit ihr Compliance System jedem dieser Punkte genügt. So wird z.B. neben einem Meldekanal auch eine davon und vom Unternehmen unabhängige Beratungsmöglichkeit gefordert. Gewährleisten sie diese? Wichtig für gute Whistleblower-Systeme ist anerkannter Weise auch eine Vorbildfunktion und die transparente Belobigung von Whistleblowern. die über eine bloße Nichtdiskriminierung hinaus gehen muss. Was tun sie insoweit? Können sie bitte auch noch etwas dazu sagen, ob die Compliance Hotline auf Mitabeiter begrenzt ist oder ob sie z.B. auch von Vertragspartnern, Lieferanten oder Kunden genutzt werden kann, wie sich dies in anderen Unternehmen bewehrt hat?

Viertens: Ich hatte sie gefragt, ob es bisher bei Bayer einen Fall gab, in dem ein Mitarbeiter wegen der Nichtmeldung von Compliance Informationen, also für Nicht-Whistleblowing sanktioniert wurde, denn dies wäre ja eigentlich eine Folge der von ihnen statuierten Meldepflicht. Hierzu hatte ich keine Antwort erhalten.

Fünftens: Sie haben trotz aller Defizite einen zumindest auf dem Papier bestehenden Compliance Standard beschrieben der über jenen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinausgeht. Daher meine Frage: Werden sie sich dafür einsetzen, zumindest jenen Standard auch im Deutschen Corporate Governance Kodex verbindlich festzuschreiben? Wird Bayer die Bedeutung von Whistleblowing auch dadurch anerkennen, dass sich der Konzern für eine gesetzliche Schutzregelung für Whistleblower einsetzt. Im letzten Sommer ist der Vorschlag für einen neuen § 612a BGB ja noch am Widerstand von CDU/CSU und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände gescheitert. Wird sich Bayer gegen diese Haltung der BdA stellen?

Sechstens: Eine weitere Nachfrage bezieht sich auf die false claims act Fälle. Hier hatten sie erwähnt, dass Bayer im letzten Jahr eine Zahlung vom 97,5 Mio US-$ geleistet hat. Dabei hatte ich den Eindruck, dass es sich hierbei nicht um den von mir erwähnten Fall aus Newark iZm. Baycol handelte – der jetzt wohl in Minnesota anhängig ist. Daher die Nachfrage: Worum ging es bei der Zahlung von 97,5 Mio US-$? Wieso zahlt Bayer mal eben 100 Millionen, wenn doch wie sie sagen „keine Rechtsverstöße anerkannt“ wurden? Sehen sie in diesem verweigerten Bekenntnis zu eigenen früheren Rechtsverstößen nicht einen Widerspruch zu dem von ihnen mehrmals abgegebenen Bekenntnis zur Rechtstreue? Setzt Rechtstreue und verantwortliches Handeln nicht auch klare Fehlereingeständnisse voraus? Wir alle machen Fehler. Wie kann dies von den Mitarbeitern verlangt werden, wenn die Firma hier nicht mit Vorbildfunktion vorangeht? Außerdem nochmals meine Frage von eben: Wie viel wurde in den letzten 10 Jahren im Rahmen von false claims act Verfahren sei es über Verurteilungen oder Vergleiche inklusive Kosten insgesamt gezahlt? Ich komme hier auf ca. 370 Millionen US-$, sie sprachen aber nur von 97,5 Millionen US-$ plus Anwaltskosten.

Siebtens: Abschließend erlauben sie mir noch eine Anmerkung zur Frage des Dialogs. Sie haben heute mehrfach betont, dass sie diesen für wichtig halten. Zugleich aber mein konkretes Angebot in einem solchen Dialog mit uns, dem Whistleblower-Netzwerk e.V. einzusteigen aber verweigert. Gibt es einen Grund für diese offensichtliche Abweichung von ihrem Grundprinzip und wenn ja, warum haben sie dann nicht wenigstens meine konkrete Frage nach den Gründen für die Nichtbeantwortung der ihnen bereits im Dezember 2008 zugesandten Umfrage beantwortet?

Achtens und dies ist eine ganz persönliche Anmerkung zum Schluss: „Claiming science for a better life without caring for risks“, so scheint mir nach allem hier heute gehörten der wahre Leitspruch von Bayer zu lauten. Bei Produkteinführungen wahren sie bestenfalls noch die nach gesetzlichen Vorgaben nötigen Anforderungen vom Stand der Technik, allerdings stets unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung. Dann versuchen Sie, das meiste aus dem Produkt herauszuholen, notfalls auch jenseits der geprüften Bereiche. Wenn dann ein Schaden bei Dritten auftritt wird er solange wie möglich geleugnet und entsprechende Medien- und Politikbearbeitung betrieben. Lässt er sich nicht mehr leugnen, leugnet man die eigene Verantwortung und zahlt notfalls, „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ an diejenigen wenigen Hartnäckigen, die bis hierhin durchgehalten haben. Nachhaltige Unternehmenspolitik sieht für mich anders aus.

6. Replik Wenning

Ganz am Ende der Hauptversammlung erfolgte dann nochmals eine sehr kurze Replik von Herrn Wenning die in etwa wie folgt zusammengefasst werden kann:

Die für Deutschland beauftragte externe Anwaltskanzlei ist die Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer und Wojtek in Köln.

Compliance steht für Bayer nicht neben dem Geschäft sondern ist voll integriert. Jeder Mitarbeiter ist zur Compliance verpflichtet und kann sich an Vorgesetzte, spezielle Compliance Beauftragte oder eben auch über die Hotline anonym an externe Anwaltskanzleien wenden. Im letzteren Fall bekommt er eine Fallnummer, über die jederzeit Rückfragen zu Stand und Ergebnissen der Untersuchungen bei den Anwälten möglich sind. Die Untersuchungen werden von der Compliance Abteilung koordiniert und wo nötig unter Einbeziehung anderer Abteilungen (z.B. Rechtsabteilung oder Fachabteilungen) durchgeführt. In Einzelfällen werden auch externe Stellen und Behörden eingebunden. Die Unabhängigkeit ist demnach in ausreichender Form gewährleistet.

Sie sprachen von einer Kultur des Schweigens bei Bayer – dies ist falsch, das Gegenteil ist richtig.

Unser umfassendes Compliance Programm spricht insgesamt 10 Bereiche an darunter neben Gesetzesverstößen auch Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesundheit. Wir haben dieses Programm selbst entwickelt, weiter ausgebaut und genau auf unser Unternehmen zugeschnitten. Daher ist es nachrangig, ob es BSI-konform ist. Jedes Unternehmen sollte hier selbst entscheiden, was das Beste ist.

Die erwähnten 97,5, Mio US-$ sind nicht im Zusammenhang mit Baycol, sondern von Bayer Healtcare LLC im Zusammenhang mit einem Streit um die Marketingmethoden bei Diabetes Care in den Jahren 1998 bis 2003 gezahlt worden. Konkret ist es um den Vertrieb von Blutzuckermessgeräten gegangen. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ist hierzu im November 2008 ein Vergleich mit dem US-Justiztministerium und ein Corporate Integrity Agreement geschlossen werden. Weitere Zahlungen in false claims act Sachverhalten gab es in den letzten 10 Jahren nicht.


7. Persönliches Fazit von Guido Strack:

Aufschlussreich und erschöpfend war es schon, die Bayer Hauptversammlung 2009 mitzuerleben. Aufschlussreich vor allem im Hinblick auf die von Herrn Wenning beim Thema Whistleblowing, aber auch bei vielen anderen kritischen Fragen an den Tag gelegte professionelle Ignoranz von Kritik. Mit zur Schau getragener Selbstsicherheit und ohne Anflug von Zweifeln wurden da Bedenken zu vergangenen und aktuellen Bayer-Produkten und -Vorhaben locker vom Tisch gewischt. Und mit gleicher Sicherheit wird auch an dem bedrohlichen Pipeline Projekt festgehalten. Wen kümmern da schon die Massenproteste bei der betroffenen Bevölkerung – Bayer jedenfalls nicht.

Eine „Kultur des Schweigens“ herrsche bei Bayer nicht, sagte Vorstandsvorsitzender Wenning. Aber die extrem niedrige Zahl von 50 – 100 Whistleblower-Meldungen weltweit in 2008 beweist etwas anderes.

Eine Fehlerkultur, die eigene Fehler einräumt und für diese Verantwortung übernimmt ist nicht erkennbar. Alle Entscheidungen liegen allein in der Hand des Vorstandes, ohne jegliche externe Kontrolle. Praktisch ist es da auch, dass der Aufsichtsratsvorsitz beim ehemaligen Vorstandsvorsitzenden liegt.

Der Schutz von Whistleblowern vor Benachteiligungen wird zwar behauptet. In konkreten Fällen, wie etwa dem des Portugiesen Alfrede Pequito, droht man dann aber doch lieber mit allen verfügbaren rechtlichen Keulen und hat diese in der Vergangenheit auch reichlich zum Einsatz gebracht.

Dialogbereitschaft wird zwar formal postuliert, bei konkreten Angeboten aber verneint. Das gilt hinsichtlich der Coordination gegen Bayer-Gefahren, die es immer wieder wagt, Bayer auf seine wirklichen Probleme hinzuweisen, ebenso wie gegenüber dem Whistleblower-Netzwerk. Da wundert es dann auch kaum noch, dass Internationale best practice Standards zu Whistleblowing die selbstherrlichen Herren bei Bayer ebenfalls nicht interessieren.

All dies spricht mehr für ein „Augen zu und durch“, als für ein Interesse daran, mittels Förderung von Whistleblowing eigene Probleme und Risken frühzeitig erkennen und bekämpfen zu wollen, mag auf dem Papier der Compliance Policy stehen was will.

Mal abwarten, wann Herr Wenning & Co. von den Folgen ihrer eigentlichen Agenda eingeholt werden – es bleibt nur zu hoffen, dass dabei nicht noch wesentlich mehr Menschen zu Bayer-Opfern werden.

Eine ausführliche Dokumentation zur Bayer-Hauptversammlung 2009 mit allen 15 kritischen Redebeiträgen findet sich auf den Seiten der Coordination gegen Bayer-Gefahren.

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