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Liebe Freundinnen und Freunde von Whistleblower-Netzwerk,

im Namen von Whistleblower-Netzwerk danken wir Ihnen, dass Sie uns 2022 tatkräftig unterstützt haben. Ein Jahr, das für uns in vielerlei Hinsicht herausfordernd war. Inhaltlich, v.a. weil der Bundestag in seiner letzten Sitzung des Jahres zwar endlich ein Hinweisgeberschutzgesetz zur überfälligen Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie verabschiedet hat. Allerdings leider eins, das deutlich hinter unseren Erwartungen zurückbleibt und Whistleblower nicht ausreichend schützt und unterstützt (trotz aller Verbesserung gegenüber dem Status quo). Wir werden daher weiter für Verbesserungen werben. Finanziell, weil wir dieses Jahr weitgehend ohne Zuschüsse einer Stiftung auskommen mussten, nachdem unser langjähriger Förderer, die „Open Society Initiative for Europe“ (OSIFE), ihr Programm für Whistleblowing eingestellt und große Stiftungen andere Prioritäten gesetzt haben. Personell, weil einer unserer Geschäftsführer Ende Januar ausgeschieden ist und der andere seine Arbeitszeit aufgrund seiner Elternzeit in der ersten Jahreshälfte deutlich reduziert hatte. Mit geeinten Kräften unserer Ehrenamtlichen konnte der Arbeitsausfall aber gut kompensiert werden, wie sie untenstehendem Tätigkeitsbericht für 2022 entnehmen können. Dank einer großzügigen Spende der Wau Holland Stiftung hat sich die finanzielle Lage gegen Ende des Jahres etwas entspannt.

Unser Einsatz für Whistleblower und damit für Meinungs- und Informationsfreiheit wird 2023 weiter vonnöten sein. Wie sehr das Hinweisgeberschutzgesetz die Lage von Whistleblowern tatsächlich verbessert, wird davon abhängen, wie es ausgelegt und implementiert wird, sowohl von der öffentlichen Verwaltung also auch in den Betrieben, Behörden und Organisationen. Über unsere Advocacy-, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit wirken wir auf ein hinweisgeberfreundliches Klima in Gesellschaft und am Arbeitsplatz hin und sensibilisieren für den Beitrag von Whistleblowern zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat. Erfreulicherweise zeigen die Rückmeldungen und Anfragen, dass sich das gesellschaftliche Klima langsam wandelt.
Aber selbst der bestmögliche rechtliche Schutz würde nicht verhindern können, dass böswillige Arbeitgeber Wege finden, Whistleblower zu drangsalieren. Umso wichtiger ist, dass unser ehrenamtliches
Beratungsteam Whistleblowern mit Rat und Tat zur Seite steht.

Sie merken, für 2023 haben wir uns trotz begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen einiges vorgenommen (, wie sie der neuen Unterseite unserer Webseite entnehmen können.) Ohne zusätzliche finanzielle Mittel werden wir das kaum leisten können. Von daher hoffen wir sehr, dass Sie uns gewogen bleiben. Natürlich würden wir uns sehr freuen, wenn Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis dafür werben, uns mit Förderbeiträgen oder Spenden zu unterstützen.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung,

Advocacy zur Verbesserung der rechtlichen Lage

Cum-Ex und Wirecard, Rechtsextreme in der Bundeswehr, Missstände in der Altenpflege und Missbrauch in der Kirche belegen eindrucksvoll, welche entscheidende Rolle Whistleblower bei der Aufdeckung gravierender Missstände spielen. Sie stärken so den demokratischen Diskurs und ermöglichen Rechenschaft und Veränderung. Trotzdem fällt es dem deutschen Gesetzgeber nach wie vor schwer, diese Rolle anzuerkennen und für einen angemessenen rechtlichen Schutz zu sorgen. Deutlich wird dies v.a. an der nach wie vor ausstehenden Umsetzung der Ende 2019 beschlossenen EU-Whistleblowing-Richtlinie, die wir in den letzten Jahren eng begleitet und dokumentiert haben. Leider konnte sich die Großen Koalition nicht auf einen Entwurf einigen, sodass die EU-Kommission im Januar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat (s. unsere Pressemitteilung).

In den Koalitionsverhandlungen haben sich die Ampel-Parteien erfreulicherweise frühzeitig auf ein umfassendes Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt (s. unserer Auswertung des Koalitionsvertrags). Trotzdem hat es bis Ende April 2022 gedauert, bis das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der mit kleineren Änderungen Ende Juli von der Bundesregierung als Regierungsentwurf in die parlamentarischen Beratungen geschickt wurde. Auf der letzten Sitzung des Jahres hat der Bundestag das Gesetz mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen mit ein paar Änderungen und Prüfaufträgen verabschiedet. Die notwendige Zustimmung des Bundesrats könnte am 10.02.2023 erfolgen.

Im Vergleich zum Status quo würde das Gesetz für eine deutliche Verbesserung beim Whistleblowerschutz sorgen. Wie von uns und anderen NGOs gefordert, geht das Gesetz beim sachlichen Anwendungsbereich über die Minimalvorgaben der EU-Richtlinie hinaus und bezieht nationale Regelungskompetenzen ein, u.a. Verstöße gegen das Strafrecht. Die von uns und anderen NGOs bereits in der EU-Whistleblowing-Richtlinie erkämpfte Gleichrangigkeit von internen und externen Meldewegen beendet den Vorrang für internes Whistleblowing, zumindest im Geltungsbereich des Gesetzes. Anonymen Meldungen muss nachgegangen werden.
2022_09_16 Statement AF
Trotzdem bleibt das Gesetz deutlich hinter den Erwartungen all derer zurück, die sich für den Whistleblowerschutz in Deutschland einsetzen. Verschlusssachen sind weitgehend und Angelegenheiten der nationalen Sicherheit vollständig vom Anwendungsbereich ausgenommen, Offenlegungen nur in wenigen Ausnahmefällen geschützt. Ein Unterstützungsfonds für Whistleblower ist nicht vorgesehen. Der Gesetzentwurf unterschätzt damit die Wichtigkeit von Whistleblowern für den demokratischen Diskurs. Dargelegt haben wir diese und andere Kritikpunkte u.a. in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf gemeinsam mit unserem internationalen Partner WIN – Whistleblowing International Network (, um die wir im Rahmen der Verbändeanhörung vom Bundesjustizministerium gebeten wurden). Zudem war unsere Vorsitzende Annegret Falter geladene Sachverständige in der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses. In einer Social-Media-Kampagne (Twitter, Facebook, LinkedIn) sowie mehreren Pressemitteilungen, vielen Pressegesprächen und Interviews haben wir anhand von Fallbeispielen wie den Missstände beim rbb auf diese Mängel hingewiesen. Aufgegriffen wurden unsere Aussagen von 36 Medien, darunter FAZ, rbb, Tagesschau.de, taz, Tagesspiegel, Deutschlandfunk Kultur und netzpolitik.org. In Hintergrundgesprächen mit Bundestagsabgeordneten und Vertretern der zuständigen Ministerien und einer Podcast-Reihe mit Fachjuristen, Jana Wömpner vom DGB und dem Whistleblower Martin Porwoll haben wir ebenfalls auf den Nachbesserungsbedarf am Regierungsentwurf hingewiesen.
Das unerbittliche Vorgehen gehen Julian Assange ist ein Angriff auf die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit und soll Whistleblower und ihre Unterstützer:innen weltweit einschüchtern. Auf unserer Webseite dokumentieren wir den Fortgang und Reaktionen auf den Auslieferungsprozess gegen ihn.
Über Pressemitteilungen, Interviews, offene Briefe und unserer Öffentlichkeitsarbeit hoffen wir einen kleinen Beitrag zur Beendigung seiner Verfolgung und zur Verbesserung des Schutzes von Menschen wie ihm leisten zu können.
Assange Poster
Hierfür ist es hilfreich, dass wir nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene eng mit anderen NGOs kooperieren, u.a. in internationalen Netzwerken wie WIN (Whistleblowing International Network). Bei UNCAC (United Nations Convention Against Corruption) haben wir u.a. einen Vortrag zum Whistleblowerschutz gehalten und an einer Stellungnahme mitgewirkt. Daneben haben wir uns mit Partnern wie der Digitalen Gesellschaft dafür eingesetzt, dass das Vertrauen in geschützte Kommunikationskanäle nicht durch die sogenannte Chatkontrolle oder durch Staatstrojaner ausgehöhlt wird. Gerade Whistleblower sind auf geschützte Kommunikationskanäle angewiesen.
Digitale Gesellschaft
UNCAC
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Beratung und Unterstützung für Whistleblower

Menschen, die auf Missstände stoßen, wissen meist nicht, wie sie damit umgehen sollen und wem sie vertrauen können. Mit unserem Beratungs- und Informationsangebot unterstützen wir sie und ihr Umfeld bei der Entscheidungsfindung und zeigen ihnen mögliche Wege und Folgen auf. Im Idealfall leisten wir so einen Beitrag zur frühzeitigen Beendigung von Missständen. 2022 hat unser Beratungsteam erneut zahlreiche Anfragen bearbeitet und dafür zum Teil umfangreiche Dokumente zu juristisch und technisch komplexen Fragestellungen gesichtet.
Beratung Übersicht hochkant
Dabei profitiert das Beratungsteam von seiner breiten Aufstellung: Klaus Bergmann ist als Rechtsanwalt Experte für Arbeitsrecht, Robert Bungart als Oberstaatsanwalt a.D. für strafrechtliche Angelegenheiten. Detlev Böttcher war als Integritätsberater lange Anlaufstelle für Whistleblower bei der GIZ. Die Kommunikation erfolgte zunehmend über die geschützte HinweisgeberplattformMissstände melden, für die wir die Open-Source-Software GlobaLeaks nutzen und über die sich Whistleblower mit uns geschützt austauschen können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Im Fortlauf des Beratungsprozesses fanden dann oft persönliche Gespräche und Treffen, teilweise sogar Begleitung zu Gerichtsprozessen statt.

Bildungsarbeit

Wir wollen junge Menschen bereits vor dem Berufseinstieg dafür sensibilisieren, wie falschverstandene Loyalität gegenüber Personen und Institutionen die Aufdeckung von Fehlentwicklungen verhindert. Wir ermutigen sie, sich gegen Missstände in ihrem Alltag zu wehren. Deswegen haben wir 2022 wieder Workshops in mehreren Berliner Schulen durchgeführt und dafür sehr gutes Feedback erhalten:
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Durch Vorträge und Schulungen wollen wir Verantwortliche und Betriebs/Personalräte in Unternehmen und Behörden vom Nutzen von Whistleblowing überzeugen und sie über die Rechtslage informieren. Wir erhoffen uns davon, dass sie am Abbau von Vorurteilen in der Belegschaft gegenüber Whistleblowern sowie an der Schaffung hinweisgeberfreundlicher Strukturen und einer Speak-up Kultur mitwirken. Vertreter von Whistleblower-Netzwerk haben daher auch 2022 Vorträge bei Fachveranstaltungen durchgeführt, z.B. bei der Deutsche Compliance Konferenz in Frankfurt, beim Kassenärztlichen Bundesverband oder einer Fachtagung für Datenschützer in KMUs.

Beratung von Organisationen

Auf Initiative der Gesellschaft für Freiheitsrechte haben wir mit Transparency Deutschland, lobbycontrol und foodwatch eine Whistleblowing-Policy für zivilgesellschaftliche Organisationen entwickelt und vorgestellt, die deutlich über die geplanten gesetzlichen Vorgaben hinausgeht. Mit der Policy verpflichten sich die beteiligten Organisationen zu umfassenden internen Maßnahmen zum Schutz von Whistleblowern und richten eine gemeinsame interne Meldestelle ein, deren Arbeit regelmäßig evaluiert wird. NGOs sollen so frühzeitig internen Fehlentwicklungen entgegenwirken und einen Transformationsprozess anstoßen, der in weitere gesellschaftliche Bereiche hineinwirkt. Durch Pro-Bono-Beratungen, Schulungen und Informationsmaterial planen wir, NGOs bei der Implementierung der Selbstverpflichtung und der Verankerung ein hinweisgeberfreundlichen Organisationskultur zu unterstützen. Über eine breit angelegte Informationskampagne wollen wir mehr NGOs für die Policy gewinnen.
Whistleblowing-Policy
Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen, Behörden und Organisationen ab einer bestimmten Größe dazu, Hinweisgebersysteme einzuführen. Allerdings bestehen in der öffentlichen Verwaltung und bei kleinen und mittleren Unternehmen teilweise nach wie vor große Vorbehalte gegenüber Whistleblowing. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist die Gefahr groß, dass derartige Systeme nur pro forma etabliert werden. Dem wollen wir mit unsere Organisationsberatung entgegenwirken. Über Schulungen und Beratung zur Einführung und Optimierung von Hinweisgebersystemen wollen wir positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur einerseits und die Einstellung der Arbeitnehmerschaft zum Whistleblowing andererseits nehmen. Gleichzeitig können wir so unseren Austausch mit der Wirtschaft intensivieren und neue Einnahmen generieren. Um die Bekanntheit unseres Angebots zu stärken, haben wir 2022 unser Informationsangebot zur Organisationsberatung überarbeitet und Gespräche mit möglichen Kunden, Weiterbildungsträgern und möglichen Kooperationspartnern geführt und diesen Informationsmaterial zukommen lassen. Unser Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Klaus Bergmann stellt derzeit ein Team aus erfahrenen Anwälten und Compliance-Experten zusammen.

Vereinsentwicklung

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Erfreulicherweise hat WBN zum Jahresende von der Wau Holland Stiftung eine hohe Spende erhalten, die es uns ermöglicht unserer Arbeit fortzusetzen. Die Stiftung setzt sich v.a. für die bedingungslose Durchsetzung der Menschenrechte, globale Informationsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung ein und unterstützt u.a. Julian Assange.
Um seine angespannte Finanzsituation weiter zu verbessern, hat WBN seine Fundraising-Aktivitäten ausgeweitet. U.a. wurden zahlreiche Richter und Staatsanwaltschaften angeschrieben und um die Zuweisung von Geldauflagen gebeten (sog. „Bußgeldfundraising“). Erste Zuweisungen von Bußgeldern hat WBN bereits erhalten. Über eine Social-Media-Kampagne, einen Fundraising-Newsletter und persönliche Ansprachen wurde um Spenden und Förderbeiträge von Einzelpersonen und Unternehmen geworben. Auf der Webseite werden die Aktivitäten und die damit verbunden Ausgaben von WBN klarer erläutert. Mehrere Förderanträge bzw. -skizzen wurden vorbereitet und eingereicht.

Finanziell entlastend hat sich ausgewirkt, dass Ende Januar 2022 einer der beiden Geschäftsführer auf eigenen Wunsch hin ausgeschieden ist, der andere seine Arbeitszeit (und damit seine Lohnkosten) aufgrund seiner Elternzeit zeitweise deutlich reduziert hatte. Der damit verbunden Ausfall von hauptamtlicher Arbeitskraft konnte mithilfe einer studentischen Mitarbeiterin und engagierter Vorstandsmitglieder gut kompensiert werden.
Auch künftig wird WBN dabei auf Dr. Detlev Böttcher und Martin Porwoll setzen können, die bei der Mitgliederversammlung am 15.10.2022 als Schatzmeister bzw. als Mitglied des erweiterten Vorstands wiedergewählt wurden. Bei den Vorstandswahlen nicht mehr angetreten ist Ingo Karras, dem wir für seinen Einsatz für Whistleblower und ihre Unterstützer danken.
Dr. Detlev Böttcher
Martin Porwoll
DGB Mitarbeiterfotos
Hans-Christian Ströbele_SW
Wertvollen Input haben wir von unseren Beiratsmitgliedern erhalten, u.a. auf der jährlichen Beiratssitzung. Neu im Beirat ist Jana Wömpner, Referatsleiterin für das Individualarbeitsrecht und angrenzende Rechtsgebiete beim DGB

Verzichten müssen wir leider auf die Expertise von Christian Ströbele, der im August infolge einer schweren Erkrankung verstorben ist. In einem Nachruf haben wir sein Engagement für die Stärkung staatlicher Transparenz, der Meinungsäußerungsfreiheit und des Whistleblowerschutzes gewürdigt.
Wir bedanken uns sehr für Ihre bisherige Unterstützung und hoffen, dass Sie sich künftig weiter gemeinsam mit uns für Whistleblower einsetzen. Für Fragen und Anmerkungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ihr Team von WBN
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