Nachlese: Snowden und WIN bei Whistleblowing-Anhörung des Europarates

Whistleblower-Netzwerk e.V. ist Gründungsmitglied des Whistleblowing International Network – NGOs for Whistleblowing (WIN) dessen Koordinatorin Anna Myers in der letzten Woche neben Edward Snowden als Expertin bei einer Anhörung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) auftrat. Auslöser für diese Anhörung war die, ebenfalls von uns mitgetragene Initiative „Whistleblower-Schutz in die Europäische Menschenrechtskonvention aufnehmen„. In deren Rahmen wurde der niederländische PACE-Abgeordnete Peter Omtzigt beauftragt eine Studie zu erstellen, für die er bereits im Januar einen Vorbericht veröffentlichte, der sich zugleich auch mit der von Snowden offen gelegten Massenüberwachung beschäftigt. Omtzigt hat angekündigt offizielle Anfragen an die beteiligten Regierungen, darunter auch die Bundesregierung zu stellen, weitere Beweise zu sammeln und auszuwerten und noch im Laufe dieses Jahres seinen Schlussbericht vorzulegen. Es wird erwartet, dass von jenem Bericht Impulse für eine Verbesserung des Whistleblowerschutzes in Europa ausgehen werden die noch über die jüngste offizielle Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates hinausgehen.

Bei der Anhörung, deren Video jetzt beim Europarat verfügbar ist, beklagten beide Experten u.a., dass Geheimdienste und der Bereich der nationalen Sicherheit bisher sowohl bei Informationsfreiheitsgesetzen als auch bei Regelungen zum Whistleblowerschutz weitgehend ausgenommen sind, obwohl gerade in diesen Bereichen entsprechende Regelungen zur Sicherung der demokratischen Kontrolle und Rechenschaftspflicht besonders wichtig sind. Die Auswirkungen jener Ausnahmen werden in den USA und auch in Europa gerade sichtbar: Vorgeschobene Bedürfnisse „Nationaler Sicherheit“ werden weltweit als Rechtfertigung genutzt, um kritische Stimmen und im Öffentlichen Interesse agierende Whistleblower zum Schweigen zu bringen.

Snowden und Myers forderten daher die Schaffung von rechtlichen Instrumentarien und wirklich unabhängigen Institutionen und Gerichten, auch auf internationaler Ebene, um sicherzustellen, dass jeder Whistleblower, im Bereich der nationalen Sicherheit genauso wie in anderen Bereichen, die Möglichkeit hat sich damit zu verteidigen, dass sein Whistleblowing aus Gründen des Öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. Dies muss vor allem dort möglich werden, wo Verwaltungen und Regierungen sich bisher der Kontrolle von unabhängigen und transparent arbeitenden Gerichten und der Kontrolle der Parlament entziehen oder diese belügen.

Edward Snowden beschrieb dieses Problem vor allem auf der Basis seiner Erfahrungen mit fehlgeschlagenen internen Versuchen zur Aufklärung in den USA und mit dem Verhalten einiger Staaten, vor allem Deutschlands, die einerseits Informationen von ihm haben wollen, andererseits ihm aber keinen Schutz und kein Asyl gewähren. Da er sich selbst nicht anmaßen wollte darüber zu entscheiden was im Öffentlichen Interesse veröffentlicht werden sollte, habe er diese Entscheidung in die Hände von Journalisten gegeben und diesen auch empfohlen zur Vermeidung von Schädigungen – und solche habe bis heute niemand nachweisen können – auch Kontakte mit den zuständigen Regierungsstellen zu suchen.

Anna Myers, deren Rede hier auch schriftlich dokumentiert ist, verwies demgegenüber vor allem auf die Aufgabe nationaler und internationaler Stellen rechtlich klare Regelungen jener Fragen zu schaffen und damit die Öffentlichen Interessen und demokratischen Prinzipien zu sichern. Dabei käme es darauf an, die Bezüge von Whistleblowing zur Meinungsfreiheit und zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zu beachten. Mit den Tshwane Principles (die Whistleblower-Netzwerk auch ins Deutsche übersetzt hat) gäbe es darüber hinaus bereits sehr gute Vorschläge dafür wie Nationale Sicherheit, Whistleblowerschutz und Informationsfreiheit miteinander in Einklang gebracht werden könnten. Besonders gefordert sei die internationale Gemeinschaft schließlich in all jenen, in einer globalisierten Welt immer häufiger werdenden Fällen, in denen Whistleblowing sich über Ländergrenzen hinaus auswirkt.

Myers schloss ihre Präsentation mit einer Frage: Was würde passieren, wenn es keine Whistleblower mehr gäbe, wenn wir alle schweigen würden?

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