Whistleblower in Deutschland: Ausführlicher Länderbericht belegt unzureichenden Schutz

Das Whistleblower-Netzwerk e.V. stellt heute den ausführlichen Länderbericht zur Situation in Deutschland der Öffentlichkeit vor. Der vom Whistleblower-Netzwerk e.V. verfasste Länderbericht ist Teil der EU-weiten Transparency International (TI) Studie und zeigt für Deutschland einen massiven Nachholbedarf was den Schutz von Whistleblower betrifft.
„Die  Situation von Whistleblowern in Deutschland ist leider noch deutlich schlechter als dies in der von TI vorgestellten Zusammenfassung zum Whistleblowerschutz in 27 EU-Staaten zum Ausdruck kommt,“ lautet die Einschätzung des deutschen Whistleblower-Netzwerks e.V.. „Die Einstufung Deutschlands in der Zusammenfassung der TI-Studie in die mittlere von drei Gruppen und damit im EU-Vergleich auf die Plätze 5 bis 20 aus unserer Sicht zu grob,“ erklärt Guido Strack, Vorsitzender des Whistleblower-Netzwerks.

So gibt es in vielen anderen Staaten der gleichen Gruppe derzeit aktive Bemühungen, den gesetzlichen Whistleblowerschutz zu verbessern. Besonders in Irland wird ein von der Regierung vorgelegtes Gesetz wahrscheinlich noch vor Ende 2013 verabschiedet. Damit würde Irland einen Spitzenplatz beim Whistleblowerschutz in Europa einnehmen.
Snowden: „Die Wahrheit auszusprechen ist kein Verbrechen.“
Deutschland ist neben Tschechien der einzige Mitgliedstaat der EU, der die UN-Konvention gegen Korruption bis heute nicht ratifiziert hat. Darüber hinaus wurde Deutschland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verletzung des Grundrechts einer Whistleblowerin auf Meinungsfreiheit verurteilt und vom Europarat wegen fehlender Unabhängigkeit seiner Justiz kritisiert.
OECD, G20 und Europarat fordern Deutschland seit Langem auf, den Schutz für Whistleblower in der Privatwirtschaft zu verbessern. Die OECD hatte Deutschland bereits Anfang 2011 eine Zweijahresfrist eingeräumt, ihre Empfehlungen umzusetzen – leider ohne Erfolg. Deutschland ist jetzt erneut aufgefordert, bis März 2014 über Fortschritte zu berichten.
Auch die bestehende Regelung des Whistleblowings durch Beamte, auf die sich TI bezieht, ist nach Aussage des Länderberichts unzureichend. Es gibt keine Schutzregelung sondern nur  eine minimale Auflockerung der ansonsten immer noch straf- und disziplinarbewehrten Verschwiegenheitspflicht bei Anzeigen gegenüber Strafverfolgungsbehörden. Selbst diese gilt nur für sieben ganz spezifische Delikte des Strafgesetzbuches im Bereich Bestechung und Vorteilsannahme. Zeigt ein Beamter jedoch irgendeine andere Straftat an, gleichgültig ob Kindesmissbrauch, Urkundenfälschung oder Formen von Korruption wie Untreue oder Betrug, begeht er heute in Deutschland immer noch ein Dienstvergehen. Gleiches gilt für Hinweise auf nicht strafbewehrte Missstände.
Während die SPD sich als Opposition und im Wahlkampf noch dafür ausgesprochen hatte, den gesetzlichen Whistleblowerschutz zu verbessern, ganz ähnlich wie US-Präsident Obama vor seiner Wahl, scheint die SPD dieses Thema mittlerweile bereitwillig in den Koalitionsverhandlungen opfern zu wollen.
Auf Anfrage des Whistleblower-Netzwerks teilte der SPD-Verhandlungsführer für „Verbraucherschutz“ und Fraktionsvize, Ulrich Kelber, einerseits mit: „Totalblockade von CDU/CSU. Originalzitat: ‚Wir werden keinen Schutz für Denunzianten schaffen!‘ Widerlich!“
In seiner nahezu zeitgleich veröffentlichten Pressemitteilung über erste Ergebnisse der Koalitionsverhandlung (Vereinbarungen und noch offene Themen) taucht das Thema Whistleblowerschutz aber nicht mehr auf.
Bezeichnend ist auch das Verhalten der SPD beim Thema Asyl für Edward Snowden.
Das Whistleblower-Netzwerk e.V. ist der Überzeugung, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel, gemäß der eigenen Wahlversprechen und der Forderungen  von Prominenten und der Zivilgesellschaft, längst hätte erklären müssen: Es gibt keine Koalition mit der SPD, ohne dass Deutschland Whistleblowern für das Aufdecken von Gesetzes-Verletzungen und Missständen effektiven Schutz bietet. Dies gilt für Edward Snowden genauso wie für alle Whistleblower in Deutschland.
Eigentlich will die Große Koalition ja antreten, um „große Aufgaben“ meistern zu können. Das Thema Whistleblower scheint dazu nicht zu gehören.

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