Article19.org: Stellungnahme zu Wikileaks und Internet Whistleblowing

Während sich in den meisten Medien die Beschäftigung mit Wikileaks derzeit auf deren Frontmann Julian Assage, Vergewaltigungsvorwürfe in Schweden und die Fragen konzentriert ob hier eine gezielte Schmutzkampagne vorliegt, oder ob Assange sich angesichts der Anschuldigungen zumindest zeitweilig zurückziehen sollte, gibt es wenige Stimmen, die sich – wie von uns angeregt – einmal mit den dahinter liegenden Kernfragen beschäftigen.

In einem NJW-Aufsatz finden sich gewisse Ansätze, die allerdings zu sehr in Lobhudelei hinsichtlich der schönen Worte abgleiten, mit denen das Bundesverfassungsgericht immer mal wieder die Bedeutung der Pressefreiheit umschreibt und die Realität in Deutschland 2010 (z.B. hinsichtlich Abmahnwesen, Medienkonzentration und ökonomischer Ausdünnung investigativer Recherche) zu wenig in den Blick nehmen. Auch die fehlende Ausstrahlungswirkung der Pressefreiheit auf die meisten (internen, behördlichen oder nicht anonymen) Whistleblowerfälle wird nicht angesprochen. Außerdem war es im Falle Heinisch ja gerade das Bundesverfassungsgericht, dass ihre Verfassungsbeschwerde ohne Begründung abwies und sich so selbst der Möglichkeit beraubte, die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klar abweichende Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit wieder einzufangen.

Wohltuend ist es insoweit die – leider nur in Englisch verfügbare – Stellungnahme „Wikileaks and Internet Disclosures“ von ARTICLE 19, der Global Campain for Free Expression, einer in London ansässigen Menschenrechtsorganisation zu lesen. Deren Name sich übrigens aus dem Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechteableitet:

Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

In der Stellungnahme zu Wikileaks und Internet Whistleblowing fordert ARTICLE 19 jetzt alle Regierungen dazu auf: ihre Informationsfreiheitsgesetze auszubauen, von Sanktionen gegen Wikileaks und andere Webseiten abzusehen, welche Informationen verbreiten an denen ein öffentliches Interesse besteht und Whistleblower zu schützen und zu ermutigen. Whistleblowerschutz sollte dabei auch in Sicherheitsbereichen des öffentlichen Dienstes und des Militärs gelten und stets die Möglichkeit der Sanktionsfreiheit wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Informationsveröffentlichung einräumen.

ARTICLE 19 vergisst in seiner Stellungnahme auch nicht Wikileaks und entsprechende Webseiten an ihre ethische Verantwortung zu erinnern und sieht insoweit anerkannte journalistische Standards als guten Ausgangspunkt für deren Weiterentwicklung. Diese Verantwortung bestehe dabei auch darin anzuerkennen, dass technischer Schutz von Whistleblowern durch Anonymität in seiner Wirksamkeit begrenzt ist und dass Whistleblowern erhebliche rechtliche und auch körperliche Gefahren drohen können, wenn es auf anderem Wege gelingt, sie zu identifizieren.

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