G20 Sammlung bewährter Verfahren und Leitprinzipien für gesetzlichen Whistleblowerschutz

Mit Unterstützung von Whistleblowing Austria haben wir eine Rohübersetzung der von der OECD für die G20-Staaten erarbeiteten „G20 Sammlung der bewährter Verfahren und Leitprinzipien für die Gesetzgebung über den Schutz von Whistleblowern“ erstellt. Das englische Original des nachstehenden Textes findet sich auf den Seiten 30-33 des Dokuments „G20 Anti-Corruption Action Plan, Action Point 7: Protection of Whistleblowers“. Über jenes Dokument hatten wir bereits in einem anderen Blogbeitrag berichtet. Diese Übersetzung ist auch als PDF-Datei verfügbar.

ANHANG: G20 Sammlung der bewährten Verfahren und Leitprinzipien für die Gesetzgebung über den Schutz von Whistleblowern
Die folgenden Leitprinzipien und Beispiele für bewährte Verfahren („best practice“) bauen auf der vorstehenden Studie auf und bieten Anhaltspunkte für Staaten, die beabsichtigen, ein Regelwerk zum Schutz von Whistleblowern einzuführen, zu ändern oder zu ergänzen. In diesem Sinne sind die Leitlinien vorausschauend und bieten Anhaltspunkte für zukünftige Gesetzgebungen. Sie stellen keine Messlatte dar, anhand derer bestehende Gesetze überprüft werden sollten.
Die Leitprinzipien sind weit gefasst und können auf den Whistleblowerschutz sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor angewandt werden. Ergänzend zu diesen Grundsätzen, bietet eine nicht erschöpfende Auswahl an „best practice“-Beispielen genauere und technischere Anleitungen, die von Staaten befolgt werden können.
Unter Berücksichtigung der Verschiedenheit der Rechtssysteme unter den G20-Staaten, bieten die Leitprinzipien Flexibilität, um den Staaten zu ermöglichen, sie in Einklang mit ihren jeweiligen Rechtsordnungen effektiv anzuwenden.

1. Es bestehen klare Gesetze und ein wirksamer institutioneller Rahmen um Beschäftigte, die in gutem Glauben und in begründeter Annahme, gegenüber zuständigen Stellen, den Verdacht von Fehlverhalten oder Korruption offenlegen, vor Diskriminierungen und Disziplinarmaßnahmen zu schützen.
Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Erlass einschlägiger Gesetze, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sicherzustellen und um eine fragmentierte Herangehensweise bei der Schaffung von Schutzmaßnahmen für Whistleblower zu vermeiden;
– Verpflichtung oder starke Ermutigung für Unternehmen zur Einführung von Kontrollmaßnahmen um Whistleblowing zu ermöglichen und zu erleichtern (z. B. durch interne Kontrollen, Ethik- und Compliance-Programme, spezielle Anti-Korruptions-Programme, Betrugsrisiko Management, etc.).
2. Das Gesetz enthält eine klare Definition des Umfanges geschützter Meldungen und der Personen, denen das Gesetz Schutz bietet.

Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Geschützte Meldungen umfassen: Verletzungen von Gesetzen, Regeln oder Vorschriften; grobe Misswirtschaft; grobe Verschwendung von Mitteln; Machtmissbrauch; eine wesentliche und konkrete Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit; oder Arten von Fehlverhalten, die nach der Definition des innerstaatlichen Rechts unter dem Begriff „Korruption“ fallen;
– Keinen Whistleblowerschutz genießen Personen bei Meldungen, die durch innerstaatliche Rechtsvorschriften im Interesse der Landesverteidigung oder der Führung der auswärtigen Angelegenheiten verboten sind, es sei denn, die Meldungen erfolgen in der vom Gesetz festgelegten Art und Weise und gegenüber der oder denjenigen dafür gesetzmäßig vorgesehenen Stelle(n);
– Schutz wird öffentlichen und privaten Beschäftigten gewährt, und zwar nicht nur fest angestellten Arbeitnehmern und Beamten, sondern auch anderen Personen wie Beratern, Auftragnehmern, befristet Beschäftigten, ehemaligen Mitarbeitern, Freiwilligen, etc.;
– Klare Definition der Begriffe „guter Glaube“ und „begründete Annahme“; während Personen die bewusst falsche Angaben machen, keinen Schutz erhalten, wird der Schutz jener Person gewährt, die – selbst wenn deren individuelle Annahme unzutreffend ist – ihre Meldung aufgrund der begründeten Annahme macht, dass die übermittelten Informationen einen Beweis für einen der in der Rechtsnorm genannten Umstände darstellen.
3. Das Gesetz gewährleistet einen robusten und umfassenden Schutz von Whistleblowern.
Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Geordnete rechtsstaatliche Verfahren für beide Parteien (Whistleblower und gegnerische Partei), einschließlich u.a. der Notwendigkeit Vertraulichkeit zu schützen;
– Schutz von diskriminierenden und Vergeltung darstellenden Personalmaßnahmen jeder Art einschließlich: Entlassung, Suspendierung oder Degradierung, andere Disziplinar- oder Korrekturmaßnahmen; Dienstzuteilung oder Versetzung; Leistungsbewertung; Entscheidung über Gehälter, Prämien, Belohnungen, Aus- und Weiterbildung, Anordnungen sich medizinischen Tests oder Untersuchungen zu unterziehen oder jede andere signifikante Veränderung in Pflichten, Verantwortlichkeiten oder Arbeitsbedingungen;
– Schutz gegen die Nichtvornahme von Personalmaßnahmen, wie Auswahl, Vertragsverlängerung, Ernennung oder Beförderung;
– Schutz vor Mobbing, Stigmatisierung, Drohungen und jeder anderen Form von Vergeltungsmaßnahme;
– Schutz vor anderen Formen von Vergeltungsmaßnahmen, unter anderem durch Verzicht auf Haftung/Schutz vor straf- und zivilrechtliche Haftung, insbesondere wegen Verleumdung und der Verletzung von Vertraulichkeit oder von gesetzlichen Amtsgeheimnissen;
– Schutz der Identität durch die Verfügbarkeit von Möglichkeiten anonymer Meldungen;
– Klare Vorgabe, dass sofern Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower dem Anschein nach vorliegen, dem Arbeitgeber die Beweislast dafür obliegt, nachzuweisen, dass Maßnahmen zum Nachteil des Whistleblowers aus anderen Gründen als aufgrund der Meldung ergriffen wurden;
– Schutz von Meldungen, von denen der Meldende vernünftiger Weise annimmt, dass diese Fehlverhalten offenlegen, selbst wenn sich der Whistleblower irrt;
– Schutz von Beschäftigten, die der Arbeitgeber irrtümlich für Whistleblower hält.
4. Das Gesetz beschreibt eindeutig die Verfahren und vorgeschriebenen Wege zur Erleichterung der Meldung vom vermuteten Fällen von Korruption und fördert den Einsatz von schützenden und leicht zugänglichen Whistleblowing-Kanälen.
Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Bereitstellung von Schutz für Meldungen die intern oder extern gemacht werden;
– Einrichtung von Kanälen für interne Meldungen innerhalb des öffentlichen Sektors;
– Starke Ermutigung für Unternehmen, interne Meldewege zu schaffen;
– Schutz von Meldungen, die direkt an die Exekutive oder Strafverfolgungsbehörden gemacht werden;
– Spezielle Kanäle und zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Meldungen, die sich auf Fragen der nationalen Sicherheit und auf Staatsgeheimnisse beziehen;
– Ermöglichung der Informationsweitergabe an externe Kanäle einschließlich der Medien, Organisationen der Zivilgesellschaft, etc.;
– Anreize für Whistleblower Meldungen zu machen, unter anderem durch die Einrichtung zweckmäßiger Verfahren, von Nachverfolgungs-Mechanismen, zum besonderen Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower, etc.;
– Positive Verstärkung, einschließlich der Möglichkeit finanzieller Belohnungen für Whistleblowing;
– Bereitstellung von Informationen, Beratung und von Rückmeldungen an die Whistleblower über Maßnahmen, die in Reaktion auf ihre Meldungen ergriffen wurden.
5. Das Gesetz stellt wirksame Schutzmechanismen sicher, unter anderem durch die Beauftragung einer eigenen Stelle, die mit der Kompetenz ausgestattet ist, Beschwerden über Vergeltungsmaßnahmen und/oder unzureichende Untersuchungen entgegenzunehmen und zu untersuchen sowie eine breiten Palette von Abhilfemechanismen zur Verfügung zu stellen.
Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Ernennung einer verantwortlichen Whistleblower Beschwerdestelle zur Untersuchung und Bestrafung von Vergeltungs-, Diskriminierungs- oder Disziplinarmaßnahmen gegen Whistleblower, die in gutem Glauben und in begründeter Annahme, mutmaßliche Korruptionshandlungen den zuständigen Behörden mitgeteilt haben;
– Einräumung des Rechts an Whistleblower, in Gerichtsverfahren als betroffene Partei mit einem individuellen Klagerecht aufzutreten und an deren Verhandlung teilzunehmen;
– Strafen für Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower, gleichgültig, ob diese in Form von disziplinarischen oder diskriminierenden Maßnahmen bzw. im Wege zivil- oder strafrechtlichen Sanktionen erfolgten.
6. Die Umsetzung der Whistleblower-Gesetzgebung wird unterstützt durch Maßnahmen zur deren Bekanntmachung sowie durch Schulungen und periodischen Wirksamkeitsevaluierungen.
Als Beispiele für bewährte Verfahren zur Unterstützung dieses Prinzips könnten u.a. genannt werden:
– Förderung der Bekanntheit der Whistleblowing-Mechanismen, Bereitstellung allgemeiner Beratung, Überwachung und regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit des Whistleblowing-Regelwerks, Sammeln und Verbreitung von Daten, etc.;
– Sensibilisierung im Hinblick auf eine Veränderung der kulturellen Wahrnehmung und der Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Whistleblowing, sodass es als Akt der Loyalität gegenüber der Organisation anerkannt wird;
– Schulung innerhalb des öffentlichen Sektors, um sicher zu stellen, dass Führungskräfte angemessen geschult sind, um Meldungen entgegen zu nehmen und um das Vorkommen von diskriminierenden oder disziplinierenden Maßnahmen gegen Whistleblower zu erkennen und zu verhindern,
– Gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, Benachrichtigungen zu erstellen und bereitzuhalten, damit die Beschäftigten über deren Rechte im Zusammenhang mit geschützten Meldungen informiert sind.

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