Bundestagsdebatte zum gesetzlichen Whistleblowerschutz

In der heutigen Bundestagsdebatte über den Antrag der Linksfraktion, der die Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzes zum Whistleblowerschutz auffordern will, haben alle Parteien klar Position bezogen: Alle Oppositionsparteien wollen den gesetzlichen Whistleblowerschutz verbessern, die Koalitionsfraktionen hingegen behaupten, die bestehenden Regelungen seien ausreichend und bezeichnen die Vorgaben von G20 und Europarat als unverbindlich.
Zunächst legte für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Karin Binder die Grundproblematik des fehlenden Schutzes für Whistleblower in Deutschland dar und verwies z.B. auf den Fall Miroslaw Strecker, um dann auf Wikileaks und Bradley Manning zu sprechen zu kommen. Auch insoweit solle die Bundesregierung handeln und sich gegenüber den USA und Großbritannien für Manning einsetzen.

Dann war Gitta Connemann (CDU/CSU) an der Reihe. Ihr Beitrag war geprägt von bissige Kritik am Vorschlag der Linken einerseits und einer offensichtlichen Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Rechtslage andererseits.
Auf besonderen Unmut stieß bei Ihr eine Passage des Antrags der Linken zum Medienrecht: „insbesondere der Schutz von Medien und anderen Publizierenden wie z. B. WikiLeaks, anderen Leak-Plattformen und Bloggern sowie der Schutz von journalistischen Quellen. Journalistinnen und Journalisten, Medienschaffende sowie sonstige Personen, die Verschlusssachen erhalten und verbreiten, dürfen dafür nicht haftbar gemacht werden können.“ Wobei sich Frau Connemann auch von einem Zwischenruf des MdB Montag (B90/Die Grünen) der auf das geltende Recht verweist, nicht davon abbringen lässt, dass mit dem Antrag der Linken sowohl Wikileaks als auch Beamte die Geheimnisse weitergeben immer von jeder strafrechtlichen Verantwortung freigestellt werden sollten. Ersteres gilt in Deutschland ohnehin und Zweiteres ist auch von den Linken offensichtlich nicht gewollt. Außerdem sei Frau Connemann einmal die Stellungnahme der Sonderbeauftragten für Meinungsfreiheit von UN und OAS zu dieser Problematik zur Lektüre empfohlen.

Was den Schutz von Whistleblowern angeht, beruft sich Connemann auch auf die §§ 84ff. BetrVG, ohne allerdings zu erwähnen, dass jene Normen eine eigene Betroffenheit beim Whistleblower verlangen, also gerade nicht jene schützen, die sich für das Allgemeinwohl einsetzen. Auch der von ihr erwähnte § 17 Abs. 2 ArbSchG hat nur einen ganz engen Anwendungsbereich und ist auf andere Fallkonstellationen nicht übertragbar. Aber der CDU/CSU reicht dies offensichtlich. Das Urteil des EGMR im Fall Heinisch, internationale Forderungen nach besserem gesetzlichen Whistleblowerschutz und die Selbstverpflichtung der G20 werden ignoriert und als „nicht verbindlich“ bezeichnet.
Die wirkliche Antwort der CDU/CSU zum Whistleblowerschutz scheint ohnehin zu sein, diesen den Arbeitgebern überlassen zu wollen. Dabei ist es, wie unsere Untersuchungen der Praxis ergeben haben, entgegen der Behauptungen von Connemann, derzeit aber gerade nicht so, dass die meisten Regelungen zu Hinweisgebersystemen in Form von Betriebsvereinbarungen mit den Mitarbeitern verhandelt würden. Hier dominieren vielmehr derzeit eindeutig die einseitigen Regelungen durch Richtlinien der Arbeitgeber und Transparenz ist Mangelware.
Nächste Rednerin, Kerstin Tack (SPD): Sie bezieht sich auf den fehlenden Schutz der Betroffenen in Fällen wie Heinisch, Strecker, Fuchs und Bixler. Sie verbindet diese Fallbeispiele zu Recht mit der Frage: Warum schützt die Bundesregierung die Täter statt der Opfer?

Tack kündigt einen konkreten Gesetzesentwurf der SPD zum Whistleblowerschutz „in den nächsten Wochen“ an. Dabei benennt sie auch erstmals zahlreiche Regelungsgegenstände, die dieser Vorschlag enthalten soll. Darunter finden sich auch Themen wie „Schulungs- und Bildungspflichten des Dienstgebers“, „Rolle der Betriebs- und Personalräte“, „Rückmeldungen an Hinweisgeber“ und „Wer berät und unterstützt Whistleblower im Betrieb?“. Der Vorschlag der SPD scheint demnach, erfreulicher Weise, wohl über jenen aus 2008, hinausgehen zu wollen.
Pascal Kober von der FDP beginnt mit einem Lob auf die Gewissensentscheidungen mancher Whistleblower, frei nach Thomas von Aquin, um dann allerdings vor allem die möglichen Gefährdungen der Datenschutzrechte Dritter in den Mittelpunkt seiner Rede zu stellen. Im Übrigen schließt er sich der, aus seiner Sicht „differenzierten Argumentation“, der CDU/CSU Kollegin an und setzt auf Gerichte und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall. Als Kommentar dazu reicht wohl der Verweis auf deren jüngste Beurteilung durch den EGMR im Fall Heinisch.

Letzte Rednerin war Ingrid Hönlinger (B90/Die Grünen). Ihr Grundtenor: Wir müssen endlich anerkennen, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten; sie verdienen unseren Schutz. Es bestehe insoweit dringender Handlungsbedarf, aber die Regierung warte nur passiv auf Vorgaben der G20 obwohl jetzt schon klar sei, dass diese G20-Vorschläge keine konkreten Aussagen zu den Details der Einbettung besseren Whistleblowerschutzes ins deutsche Recht machen werden. Ihre Fraktion wolle einen ausgereiften Antrag und werde demnächst einen eigenen Gesetzentwurf – der aber wohl nur arbeits- und dienstrechtliche Regelungen beinhalten wird – zur Diskussion stellen. Die Vorschläge der LINKEN seien hier zu unkonkret.

Am Schluss der Debatte wurde gemäß dem Antrag der Koalitionsfraktionen beschlossen, das Thema in die Ausschüsse – federführend an den Ausschuss für Arbeit und Soziales – zu verweisen.

Zusammenfassend lässt sich – auch angesichts des mal wieder spärlich besetzten Bundestages – feststellen: Den nötigen effektiven gesetzlichen Whistleblowerschutz wird es mit der gegenwärtigen Koalition in Deutschland nicht geben. Jene Fraktionen verschließen auch weiterhin ihre Augen vor der Tatsache, dass in diesem Land zivilcouragierte Whistleblower zu Opfern gemacht werden. Whistleblowerschutz den Unternehmen zu überlassen und so manchmal gar den Bock zum Gärtner zu machen, reicht eben nicht aus. Somit wird Deutschland immer weiter hinter sich entwickelnde internationale Standards des Whistleblowerschutzes zurückfallen.

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